... Wie Gespenster in der Nacht
leben!“
April hüpfte von Andrews Schoß, um Mara mit dem Geschirr zu helfen, und Andrew lehnte sich an die Stuhllehne zurück, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Ihm machte das Ganze offensichtlich großen Spaß. „Dunc, korrigier mich, wenn ich falsch liege, aber … nutzt du nicht die Schrullen der Menschen, um dir damit deinen Lebensunterhalt zu verdienen? Ihre Leichtgläubigkeit, indem du sie davon überzeugst, dass sie unbedingt etwas brauchen, auch wenn sie es vorher nie gewusst haben?“
„Fantasie ist etwas völlig anderes, wenn sie in der Wirtschaft und auf dem freien Markt eingesetzt wird.“ Duncan erlaubte sich ein schmales Lächeln. „Da heißt es Kreativität.“
In Pasadena war Duncan Eigentümer einer erfolgreichen Werbeagentur gewesen, die er bei der Scheidung von seiner ersten Frau verkauft hatte. Den Erlös hatte er seiner Exfrau im Tausch um das Sorgerecht für April überlassen. Fiona wusste, dass ihr Bruder die manchmal hektische Schnelllebigkeit der Geschäftswelt vermisste, auch wenn er mit dem Leben in Druidheachd sehr zufrieden war.
„Duncan, hast du wieder eine Agentur gegründet?“, fragte sie.
Er zuckte mit einer Schulter. „Ich mache ein bisschen Unternehmensberatung. Zweimal in der Woche pendle ich, den Rest der Woche arbeite ich von zu Hause aus.“
„Das ist ja großartig!“
„Er wird nicht eher zufrieden sein, bis Glasgow das Los Angeles des Vereinigten Königreichs ist“, kommentierte Andrew. „Und wir alle von unnützem Tand und Konsumgütern überschwemmt werden.“
„Ich arbeite mit dem Touristenbüro sowie einigen Exportfirmen zusammen, die sich auf schottische Produkte spezialisiert haben“, stellte Duncan richtig. „Wie üblich übertreibt Andrew wieder einmal.“
„Ganz und gar nicht!“, wehrte der sich sofort. „Ich sage die reine Wahrheit! Du hast vor, Schottland deinen Stempel aufzudrücken. Wirst schon sehen, gar nicht mehr lang, und wir tauschen Shortbread und Haggis gegen Rettetden-Regenwald-Eiscreme und Grünalgen-Würstchen.“
„Algenwürstchen sind mir tausendmal lieber als Haggis!“, schoss Duncan zurück.
„Haggis?“, hakte Fiona nach.
„Schafsmagen, gefüllt mit Innereien und Hafermehl. Der Magen selbst ist noch das Erträglichste daran, von da an geht’s steil bergab“, knurrte Duncan.
„Du hast wirklich eine ganz besondere Art, mit Bildern umzugehen, Dunc. Ich bin gespannt, wie Schottland aussehen wird, wenn du erst deinen Kopf durchgesetzt hast.“
„Seid ihr beide schon wieder mittendrin? Muss ich mich zwischen euch werfen, oder wollt ihr es ausfechten?“, tönte es da von der Tür her. Fiona drehte den Kopf und sah einen dunkelhaarigen Mann dort stehen. Er war sehr groß, fast majestätisch, mit einer schlanken großen Frau an seiner Seite. Sie hatte braunes Haar, und ihre Augen funkelten genau wie Andrews.
„Billie! Iain!“ Mara ging zu ihnen und küsste Iain auf die Wange. Er umarmte sie, bevor er sie an seine Frau weiterreichte.
Fiona beobachtete die kleine Szene mit leichter Anspannung. Der Jetlag und der sprudelnde Quell von neuen Erfahrungen und Emotionen hatten ihre Kraftreserven völlig aufgezehrt. Ihr Leben war bisher bedächtig, manchmal vielleicht sogar betäubend verlaufen. Doch jetzt wünschte sie für einen Moment fast, sie könnte in die Ruhe und den Frieden ihrer langweiligen Abgeschiedenheit zurückkehren.
Aber schon fühlte sie sich in Iain Ross’ Arme gezogen und an seine breite Brust gepresst. „Fiona! Du bist genauso hübsch, wie ich dich in Erinnerung habe!“
Ihr fehlten die Worte. Sie war nicht hübsch. Sie war gezeichnet vom Feuer. Erfahrungen hatten Narben bei ihr hinterlassen, deretwegen sie sich vom Leben zurückgezogen hatte. Doch Iain war ein Mann, der immer die Wahrheit sagte. Für ihn war sie hübsch. Sie war Duncans Schwester, und für eine kurze Zeit war sie praktisch auch seine gewesen.
Und so stellte sie fest, dass sie die Umarmung erwiderte. Als er von ihr zurücktrat, lächelte sie zu ihm hinauf. „Du bist auf jeden Fall größer, als ich dich in Erinnerung habe. Andererseits … ich bin ja auch größer geworden.“
Verständnis lag in seinen blauen Augen, gleichzeitig aber auch eine genaue Musterung. Fiona hatte plötzlich das Gefühl, dass er genau wusste, was dieser Tag ihr abverlangt hatte. „Komm, Billie, lass mich dir unseren Ehrengast vorstellen“, sagte er zu seiner Frau, ohne den Blick von Fiona zu wenden.
Billie schlang ihre Arme um Fiona. Ihre
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