... Wie Gespenster in der Nacht
zeigen?“
„Aye.“
Sie führte den Weg voran durch den Park, um den Springbrunnen herum, der schon kein Wasser mehr spuckte, seit Andrew denken konnte, und einen Pfad entlang, auf dem noch der Schneematsch lag. „Hattest du gute zwei Wochen?“
„Weder gut noch schlecht. Geschäftig. Vollgepackt. Es verwundert mich immer wieder aufs Neue, wie viel Aufwand wir betreiben, um Blätter und Farne aus längst vergangenen Zeiten zu finden und zu verkaufen.“
„Blätter und Farne? Oh, du meinst das Öl. Du hältst den Aufwand für übertrieben?“
„Als ich gerade die Universität hinter mir hatte, war das Leben auf der Plattform wahnsinnig aufregend für mich. Jetzt erscheint es mir eher sinnlos. Der Mensch wird erst nach Wegen suchen, ohne Öl zu leben, wenn alles aufgebraucht ist. Wir sollten uns besser schon jetzt überlegen, wie wir darauf verzichten können.“
„Ich könnte dir nicht mehr zustimmen. Ich war heute bei Mara in ihrem Cottage. Wahrscheinlich bin ich gar nicht in der Lage oder bereit dazu, so schlicht zu leben, aber es hat mich dazu gebracht, darüber nachzudenken, wie viel wir haben, was wir eigentlich gar nicht brauchen.“
„Bist du sicher, dass du Duncans Schwester bist?“
Fiona lachte. „Ich weiß, du machst nur Spaß, aber … Du urteilst zu hart über Duncan. Es geht ihm gar nicht so sehr darum, Dinge zu verkaufen, vielmehr muss er seine Kreativität ausleben. Und er hat auch immer die Möglichkeit gefunden, sich bestimmter Projekte anzunehmen, an die er glaubt. Natürlich würde er es nie zugeben, aber in Wirklichkeit ist er ein Idealist. So wie du.“
„Wie ich?“
„Bist du das etwa nicht?“
„Das klingt verdammt selbstgefällig und tugendhaft. Und ich bin weder das eine noch das andere.“
„Nein, sicher nicht. Ich glaube, dass dein Idealismus dir im Blut liegt. Ich glaube nämlich, dass du nach deinen Werten lebst.“
„Und woher weißt du so viel über mich?“
„Ich bin eine gute Beobachterin. Das war ich schon, als ich noch klein war.“ Sie lächelte zu ihm auf, und ihr Gesicht glänzte silbern im Licht des Mondes.
Der Ausdruck in ihren Augen faszinierte ihn. „Und was genau hast du gelernt?“
„Einem Kind will niemand etwas sagen. Die Erwachsenen reden miteinander, aber nie mit dir. Also fand ich heraus, was ich wissen wollte, indem ich die Mienen studierte und dann all das zusammengesucht habe, was die Erwachsenen mir nicht sagten.“
„Jetzt glaubst du, du kennst mich?“
„Oh, so weit würde ich nicht gehen. Ich glaube nur, dass ich einige wenige Dinge über dich weiß.“
„Zum Beispiel, dass ich ein Idealist bin. Was noch?“ „Dass du ein durch und durch herzensguter Mensch bist.
Dass du in jedem erst einmal den guten Menschen siehst und versuchst, niemanden zu verurteilen. Dass du dir einen gewissen Starrsinn behältst, der dir durch die schlimmsten Zeiten in deinem Leben hilft, der dich wahrscheinlich aber auch öfter in Schwierigkeiten bringt.“
Vor allem bei Letzterem würde ihr Bruder ihr sofort zustimmen. „Ich bin keineswegs herzensgut, Fiona. Und es gibt Leute, die kann ich auf den ersten Blick nicht ausstehen. Und wenn ich stur bin, dann eher aus Mangel an Einsicht und Vernunft als aus Idealismus. Machen wir uns doch nichts vor! Ich bin einfach ein Mensch wie jeder andere auch.“
„Andrew, ich habe dich nie für etwas anderes als einen Menschen gehalten.“ Sie klang weder verletzt noch eingeschnappt, viel eher hörte es sich an, als fühle sie sich nur bestätigt.
„Du scheinst nicht enttäuscht zu sein.“
„Du bist ein guter Mensch, Andrew. Enttäuscht wäre ich nur, wenn es anders wäre.“
Sie blieben unter einem Baum stehen. Andrew stützte eine Hand an den Stamm. „Wieso? Welchen Unterschied würde das machen?“
„Nun, ich habe dir doch schon gesagt, dass meine Fantasie übermäßig entwickelt ist, nicht wahr?“
„Aye, das hast du.“
„In all den Jahren habe ich immer versucht, dich mir vorzustellen, und du bist eigentlich genau so, wie ich es mir gedacht habe. Also wäre ich enttäuscht gewesen, wenn aus dir ein Schuft geworden wäre.“
„Fiona, wieso hättest du überhaupt an mich denken sollen? Du warst so jung, als … als du aus Schottland weggegangen bist.“
„Ganz einfach: Ich habe alles festgehalten, an das ich mich erinnern konnte.“
Ihre Worte, mehr als alles andere, was sie bisher gesagt hatte, zogen ihm das Herz zusammen. Nein, sie war nicht auf der Suche nach Mitgefühl. Weil sie
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