... Wie Gespenster in der Nacht
Spiel von Licht und Schatten an der Decke, bis ihr die Lider vom eigenen schweren Gewicht zufielen.
In Glasgow fand in dieser Woche eine internationale Konferenz statt. Sämtliche Hotels im Umkreis von Meilen waren ausgebucht, nirgendwo ein freies Zimmer zu finden. Dass Andrew das Zimmer für Fiona noch aufgetrieben hatte, war reines Glück gewesen. Das alte Hotel in der Nähe des Krankenhauses hatte überhaupt nur selten Zimmer für eine oder zwei Nächte zu vermieten und wurde daher auf der Hotelliste der Stadt als Unterbringungsmöglichkeit während der Konferenz gar nicht geführt. Und auch dort war nur noch ein Zimmer frei gewesen, das zudem selten genutzt wurde und dringend eine Renovierung benötigte. Der Hotelbesitzer hatte es höchst unwillig vergeben.
„Erwarten Sie bloß nicht Gleddoch House oder das Copthorne“, hatte er in seinem typischen Glasgower Singsang zu Andrew gesagt. „Falls Sie vorhaben, es mit der Lady zu teilen, kostet das noch mal fünf Pfund extra.“
„Nein, ich werde nicht in dem Zimmer schlafen.“ Andrew hatte den bescheidenen Preis für das Zimmer gezahlt.
„Sondern?“
„Ich schlafe im Auto. Das ist kein Problem, das habe ich schon öfter gemacht.“
„Sie werden sich wünschen, doch noch lieber nach Hause gefahren zu sein. Wird kalt heute Nacht. Der Regen bringt immer die Kälte mit.“
„Ich habe Decken im Kofferraum.“ Andrew hatte die Hand nach dem Zimmerschlüssel ausgestreckt. Der Hotelbesitzer hatte den Kopf geschüttelt, unter die Theke gegriffen und dann die Hand mit dem Schlüssel und einer Flasche wieder hervorgezogen.
Beides hatte er über den Tresen zu Andrew geschoben. „Das können Sie besser gebrauchen als ich, da bin ich sicher. Außerdem habe ich Ihnen für das Zimmer genug abgeknöpft, um es wettzumachen.“
Andrew hatte bei dieser Bemerkung breit gegrinst und beides an sich genommen.
Jetzt schaute Andrew auf die Flasche. Da war nur noch ein Rest drin, doch der enthielt das Versprechen auf eine wärmere Nacht. Er hatte es sich so gemütlich gemacht, wie es auf dem Rücksitz seiner Limousine eben ging, aber seine Beine waren viel zu lang, als dass er sie hätte ausstrecken können. Den Rücken an die Tür gedrückt, den Kopf an die Kopfstütze gelehnt, musste er sich damit zufriedengeben, mit angezogenen Knien dazusitzen.
In dieser Position eingequetscht, drehte er den Verschluss von der Flasche und nahm einen kräftigen Schluck. Sicherlich nicht der beste Whisky, den Schottland zu bieten hatte, aber die Wirkung blieb mehr oder weniger die gleiche. Hitze floss durch ihn hindurch, fuhr stechend in seine Glieder und prickelte warm in seinen Fingerspitzen und Zehen. Die vor ihm liegende Nacht schien mit einem Mal nicht mehr ganz so düster.
Fiona da oben in dem Zimmer allein zurückzulassen war ihm geradezu lächerlich schwergefallen. Sie hatte nicht dort bleiben wollen. Sie hatte sich alle Mühe gegeben, um den Anschein zu erwecken, es würde ihr nichts ausmachen, doch die Wahrheit hatte deutlich in ihren Augen gestanden. Für den Bruchteil einer Sekunde war er versucht gewesen, ihr die Sache mit dem einzigen freien Zimmer zu erzählen, doch er hatte sich sofort dagegen entschieden. Vielleicht wäre er geblieben, wenn sie ihn aufgefordert hätte, und dann natürlich nur mit den ehrenhaftesten Absichten. Doch er hatte inzwischen gelernt, dass ehrenhafte Absichten nur wenig Einfluss auf ihn hatten, sobald es um Fiona ging.
Er konnte das Eckfenster ihres Zimmers dort oben sehen. Schon eine ganze Weile brannte kein Licht mehr, er fragte sich, ob sie schon eingeschlafen war. Er fragte sich auch, wie sie schlief – auf welcher Seite und ob leicht oder tief. Er bezweifelte, dass sie jemand war, der sich ausstreckte. Dafür besaß sie nicht genügend Selbstvertrauen. Zu lange war sie in Krankenhäusern und Kliniken gewesen, ruhiggestellt, gequält. Nein, sicherlich hatte sie nie gelernt, ihren Körper zu genießen, sich im Bett auszubreiten und es als das ihre zu beanspruchen.
Und dennoch … In diesem Körper steckte eine Frau, die sich verzweifelt wünschte, endlich frei zu sein. Fiona war eine sinnliche und genießerische Frau, die Farben und Bilder liebte, sie praktisch in sich aufsog und dann auf Papier goss – eine ausdrucksstarke Gefühlsexplosion. Als Duncan ihm vor Jahren Fionas erstes Buch gezeigt hatte, war er absolut fasziniert gewesen. Er hatte die Frau hinter den Illustrationen erkannt, ihre Einsamkeit und ihre Träume.
Diese Einsamkeit
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