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... Wie Gespenster in der Nacht

... Wie Gespenster in der Nacht

Titel: ... Wie Gespenster in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
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war noch immer da, selbst wenn sie zusammen waren. Und Fionas Träume waren für ihn klarer geworden denn je. Sie war eingeschlossen in einem gepeinigten Körper, der nach Trost und Erlösung verlangte. Ein Körper, der Qualen gekannt hatte, konnte auch Freuden kennenlernen. Doch Freuden brachten manchmal auch Schmerzen mit, und Fiona hatte wahrlich genug Schmerzen erduldet, die ihr für ein ganzes Leben reichten.
    Er durfte nicht derjenige sein, der ihr mehr Schmerzen zufügte.
    Andrew drehte wieder an dem Verschluss und nahm noch einen Schluck, diesmal einen kräftigeren. Es war nicht die richtige Nacht dafür, um willkürliche Grenzen zu setzen. Er saß allein in einem eiskalten Auto, statt mit Fiona in einem warmen Bett zu liegen. Er stellte sich vor, wie es wohl sein würde, sie unter den Decken in seinen Armen zu halten. Sie hatte diese enormen Selbstzweifel als Frau. Sie war überzeugt, dass ihre Narben jegliches Verlangen in einem Mann abtöten würden. Sie ahnte ja nicht, wie egal ihm ihre Narben waren. Sie hatte nicht die geringste Vorstellung, wie oft er von der sanften Rundung ihrer Brüste träumte, wie oft er sich ausmalte, ihre schmale Taille zu umfassen und ihre fraulichen Hüften zu liebkosen.
    Welche Bedeutung besaßen schon Narben, wenn es die Frau war, die er wollte?
    Andrew schloss die Augen. Sollte der Whisky ihn nur besser schnell in den Schlaf hinunterziehen. Er war ein großer Mann, und er sollte eigentlich eine entsprechend große Menge Alkohol vertragen. Doch in dem Moment, als er die Augen schloss, wusste er, dass er zu viel gehabt hatte. Die Dunkelheit bewegte sich, wälzte sich in Wellen durch seinen Kopf. Der Wagen stand am Straßenrand geparkt, doch Andrew hatte das Gefühl, als würde er eine kurvige Rennstrecke entlangrasen. Er krallte die Finger in die Decke, die er aus dem Kofferraum genommen hatte, und hielt sich fest. Schließlich öffnete er die Augen und setzte sich auf.
    Sofort wurde sein Kopf wieder klar. Der Regen hatte erneut eingesetzt, Andrew lauschte auf die Tropfen, die auf das Wagendach fielen. Er mochte Regen, und wie jeder Schotte, der etwas auf sich hielt, hatte er gelernt, die Unannehmlichkeiten des Regens zu ignorieren. Jetzt allerdings schien das Prasseln die Barrieren zwischen ihm und Fiona anwachsen zu lassen. Der metallene Rahmen des Wagens schien zu schrumpfen, zwängte ihn mehr und mehr ein. Dabei war er doch an Einsamkeit gewöhnt. Ganz gleich, wie lebenslustig er sich gab, wie offen und herzlich er mit den anderen umging … Am wohlsten fühlte er sich, wenn er allein war. Doch heute Abend fühlte er sich nicht wohl. Heute Abend schien keine Wahrheit und auch keine Lüge, nichts von all dem, was er sich regelmäßig vorhielt, einen Unterschied zu machen.
    Viel war nicht mehr in der Flasche. Wieder drehte er den Verschluss ab und hielt sie auf Augenhöhe. Im regenverhangenen Schein der Straßenlaternen erkannte er sein schwaches, leicht verzerrtes Spiegelbild.
    Nie, zu keiner Zeit in seinem ganzen Leben, war er seinem Vater ähnlicher gewesen.
    Anfangs war der Rauchgeruch anheimelnd und tröstlich gewesen. Auf den Feldern neben dem Hotel wurden die Herbstfeuer abgebrannt, und für die Johnsmas Fair waren auf den Hügeln Lagerfeuer aufgebaut worden. Sie hatte bei ihrem Vater auf den Schultern gesessen, damit sie über die Köpfe der Leute die leuchtenden Flammen sehen konnte, die an den Nebelschwaden des hereinbrechenden Abends leckten. Ihr Vater hatte breite Schultern, und er beschwerte sich auch nie, wenn sie vergaß, still zu sitzen. Ihr Vater war ein starker Mann. Sie wurde ihm nie zu schwer, wenn er sie auf seinen Schultern trug, und er schimpfte nie deswegen mit ihr.
    Der Rauch wurde jetzt dichter, sie musste husten. Nur ein wenig zuerst, nicht kräftig genug, dass sie davon richtig wach wurde. Sie hatte den Daumen in den Mund gesteckt und saugte nach jedem Hustenanfall gierig daran. Sie war so müde! Sie wollte nur schlafen.
    Jetzt war der Rauch wirklich schlimm, und der Husten wurde auch schlimmer. Wenn sie atmete, dann kratzte es im Hals und brannte in den Lungen. Sie rutschte tiefer unter die Bettdecke, doch auch die konnte den Rauch nicht fernhalten. Irgendwann öffnete sie schließlich die Augen, aber da sie mit dem Kopf unter der Decke lag, empfing nur Dunkelheit sie.
    Jetzt war sie wach genug, um Angst zu haben. Sie mochte die Dunkelheit nicht. Und sie mochte den Rauch nicht.
    „Duncan?“
    Wieder musste sie husten. Duncan antwortete nicht.

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