... Wie Gespenster in der Nacht
ließ er allerdings nicht los. „Heute Morgen hat sie Fieber bekommen, was an und für sich nichts Ungewöhnliches ist. Nur ist es im Verlauf des Vormittags immer weiter gestiegen. Gegen Mittag haben sie sie dann verlegt.“
„Ist Pamela bei ihr?“
„Sie kann sie nur durch die Trennscheibe sehen.“ Fiona blickte auf ihre Uhr. „Vor einer Stunde kam Pamela zu mir, um mir zu sagen, dass sich Saras Zustand nicht verändert hat. Sie hoffen darauf, dass bis spätestens Mitternacht eine Verbesserung eintritt, aber … es steht auf der Kippe.“
„Hat Pamela das gesagt?“
„Nein. Sie versucht, tapfer zu sein. Aber ich weiß, was ich weiß.“
Daran zweifelte er nicht. „Hast du schon gegessen?“
„Nein.“
„Dann lass uns zusammen nach unten gehen. Du isst etwas, wenigstens ein bisschen, danach kommen wir hierher zurück und warten, bis man uns die guten Nachrichten bringt.“
„Ich habe keinen Hunger.“
„Habe ich dich gefragt, ob du Hunger hast?“ Er sagte es, ohne zu lächeln. „Du isst trotzdem. Und wenn wir die guten Nachrichten dann gehört haben, deretwegen wir hier sind, gehen wir zum Hotel.“
„Was? Welches Hotel?“
„Während du isst, werde ich uns Zimmer in einem Hotel reservieren. Nach all dem fahren wir nicht mehr nach Druidheachd zurück. Es ist dann viel zu spät.“
Fiona überlegte. Sie hatte nichts vorgehabt, außer zu warten. Jetzt gab es einen Plan. Sie hatte keine Hoffnung auf Trost gehabt. Jetzt saß Trost direkt neben ihr an ihrer Seite. Eigentlich hatte sie überhaupt keine Hoffnung gehabt, doch Andrew besaß genügend Hoffnung für sie alle. Wenn wir die guten Nachrichten dann gehört haben …
Sie suchte in seinem Gesicht. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“
Für eine Sekunde lang verwandelte sich die Entschlossenheit in seiner Miene in Verletzlichkeit. „Auch gut.“
„Du hättest nicht zu kommen brauchen.“
„Aye, das weiß ich.“
So konnte sie das nicht im Raum stehen lassen, auch wenn es sicherer gewesen wäre. „Ich bin froh, dass du gekommen bist.“
„Auch das weiß ich.“ Mit einer Fingerspitze strich er ihr über die Wange, so als sammle er Tränen ein. „Wir werden immer froh sein, einander zu sehen, Fiona. Ganz gleich, wie sehr wir es auch leugnen, ganz gleich, wie viele Fehler wir miteinander machen. Es ist ein Segen und ein Fluch, doch das spielt keine Rolle. Ja, wir werden froh sein, den anderen zu sehen, ganz gleich, welchen Kummer es bringen wird.“
10. KAPITEL
F iona döste, an Andrews Schulter geschmiegt, als Pamela kam, um ihnen zu sagen, dass Sara endlich auf die Behandlung anzusprechen schien. Saras Zustand war stabil, was zu einem so relativ frühen Zeitpunkt in der Krise eine gute Nachricht war. Jetzt bestand tatsächlich die Hoffnung, dass vielleicht morgen früh schon das Fieber langsam wieder sinken würde. Das kleine Mädchen schlief jetzt, und Fiona und Andrew, so beharrte Pamela, sollten dasselbe tun. Für sie hatte man ein Bett auf der Station bereitgestellt, damit sie ebenfalls ein wenig Schlaf abbekamen.
Fiona und Andrew saßen längst im Wagen auf der Fahrt zu dem nahe gelegenen Hotel, bevor sie überhaupt ein paar Worte miteinander wechselten. Ihr fiel auf, wie fest er das Lenkrad umklammerte, so als befürchte er, einzuschlafen, wenn er seine Konzentration auch nur eine Sekunde lang schleifen ließe.
„Du glaubst doch nicht, dass sie uns nur erzählen, Sara ginge es besser, damit wir in Ruhe schlafen können, oder?“, fragte sie. „Ob sie uns nur deshalb Hoffnungen machen?“
„Möglich wäre es natürlich, aber das glaube ich nicht. Wieso sollten sie sich ausgerechnet um unsere Gefühle Gedanken machen? Dazu sind sie viel zu sehr mit wichtigeren Dingen beschäftigt.“
„Vermutlich hast du recht.“
„Es gibt nichts, was wir heute Nacht noch tun können, Fiona. Wir rufen morgen früh als Erstes im Krankenhaus an.“
Sie verfiel wieder in Schweigen. Den ganzen Abend über hatte es geregnet. Der nasse Asphalt glitzerte im Lichtkegel der Autoscheinwerfer. Weiter vorn lief eine Katze über die Straße und verschwand im nahen Gebüsch am Straßenrand, ansonsten rührte sich nichts. Glasgow, Schottlands funkelnder Rohdiamant, schlief tief und fest.
Andrew lenkte den Wagen vor ein schmuckloses Gebäude. Fiona musste mit zusammengekniffenen Augen suchen, um das Schild zu finden, das es als Hotel auswies. „Das sieht aus wie ein Haus, das auf Langzeitgäste eingestellt ist.“
„Ist es auch, aber
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