Wie ich Brad Pitt entführte
Dietrichen geknackt. Aber dort war nicht viel zu holen: ein paar Stifte. Ein Locher. Post-its. Kein Computer. Den hatte bestimmt auch die Spurensicherung mitgenommen. Einsam und allein stand nur der abgekabelte Drucker herum. Nicole, die bisher auf dem schweinsledernen Schreibtischstuhl Platz genommen hatte, stand auf und ging einmal in dem vergleichsweise kleinen Raum herum. An der Längsseite befand sich ein Bücherregal, aber es war fast leer. Nur einige Autozeitschriften und wenige Bücher mit zumeist erotischen Themen. Eins hieß »Auf der Suche nach dem G-Punkt«, ein anderes »Wie Männer Frauen wirklich beglücken!« Schön für Frau Mehlmann-Larsen, dass ihr »Verlobter« sich so um ihr Wohlergehen bemühte.
Augenblicklich runzelte Nicole die Stirn. Was war dieser Hagedorn nur für ein Typ? Ein Romantiker mit Fetischspielzeug. Ein »Sexperte« mit einer schwülstigen Schreibe. Wie passte das denn zusammen? Vor allem: Wenn er wirklich so gut aussah wie auf dem Phantombild, warum ging er dann nicht mit einer wesentlich jüngeren, attraktiveren Frau aus? Was wollte er denn ausgerechnet von Frau Mehlmann-Larsen? Gut, Nicole hatte schon davon gehört, dass manche Männer sich tatsächlich nach der Wärme und Erfahrung einer eher mütterlichen, älteren Frau sehnten. Aber das war doch sicherlich die absolute Ausnahme, oder? Und so wahnsinnig mütterlich wirkte Frau Mehlmann-Larsen nun auch wieder nicht. Also ging es ihm wahrscheinlich doch bloß um ihre Kohle!
Mit der Gästetoilette, der Küche und dem Ensuite-Badezimmer war Nicole schnell durch. Dort gab es auch keine Besonderheiten. Außer vielleicht, dass die Küche so aussah, als wäre darin noch nie gekocht worden. Die meisten Gläser standen – wie frisch aus dem Laden – in originalverpackten Kartons. Und die Essteller hatten sogar noch die Preisschilder drankleben. Neidisch musste Nicole einmal mehr feststellen, dass die ganze Einrichtung mit viel Geschmack und Liebe zum Detail aufeinander abgestimmt worden war. Selbst das Geschirr wirkte irgendwie männlich und war aus solider beigefarbener Keramik gefertigt. Überall hingen »echte« Gemälde und nicht einfach nur Drucke. Alles sah teuer und gediegen aus. Ob das wirklich das Werk von Frau Mehlmann-Larsen war? Oder einer Innenarchitektin? In welcher Galerie hatte man wohl zum Beispiel diese wunderbare Collage erstanden? Sie konnte die Unterschrift des Malers nicht entziffern. Aber so was würde ihr für ihre eigene Wohnung auch gefallen. Ob es vielleicht auf der Rückseite einen Hinweis auf die Galerie gab, von der das Bild stammte?
Ohne weiter nachzudenken, nahm sie das Bild von der Wand, drehte es um … Vor lauter Überraschung wäre ihr das kostbare Teil fast aus der Hand gerutscht! Erst in letzter Minute bekamen ihre schwitzigen Hände den Rahmen wieder zu fassen.
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23.
Donnerstag, 10.24 Uhr
B itte!«
»Nö.«
Wie ein störrischer Esel lässt er sich erst gar nicht auf eine Diskussion ein. Bisher hatte er mir nur die Erklärung für sein David-Copperfield-mäßiges Verschwinden und Wiedererscheinen geliefert: Als die Polizei klingelte und ich unten zur Tür lief, hatte Tom bemerkt, dass der geschlängelte Handtuchwärmer, an den ich ihn gekettet hatte, nach oben hin offen war. Ein Umstand, der mir im Eifer des Gefechts wohl entgangen sein musste. Nach einigen Verrenkungen stand er zwar immer noch in Handschellen, aber frei im Badezimmer. Da er nicht wusste, ob da unten Freund – er zählte die Kölner Bullen nur sehr begrenzt dazu – oder Feind klingelte, setzte er sich erst mal durchs Fenster aufs Dach ab.
Aber irgendetwas muss da oben mit ihm passiert sein, denn so eine 180-Grad-Wende kommt ja nicht von ungefähr.
»Dass gleich die Polizei bei mir aufkreuzt, also …!«, versuche ich ihm zu erklären. Er zuckt nur mit den Schultern.
»Was hast du denn erwartet?«, ungerührt streicht er sich die Haare aus der Stirn. »Dass die Welt nicht mitkriegt, wenn ich entführt werde?«
Hilflos stehe ich in der Mitte der Küche, während Tom den Inhalt meines Kühlschranks durchwühlt. »Aber warum denn nur? Vor ’ner knappen Stunde hättest du doch noch alles gegeben, um von hier wegzukommen, und jetzt …?«
Tom hat sich inzwischen meines Gefrierschranks angenommen und zieht die Wodkaflasche heraus, die dort permanent lagert. Mit einer bedeutungsvollen Geste schiebt er sie wieder zurück.
»Also, dann bleiben wir doch bei Eiern mit Speck! Komm, schmeiß mal den Herd
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