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Wie ich Brad Pitt entführte

Wie ich Brad Pitt entführte

Titel: Wie ich Brad Pitt entführte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Grünig
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zu wenden.
    Und jetzt die Tausend-Euro-Frage, was er sich da so gefesselt angeschaut hat? Die Nachrichten? Falsch! Die Sportschau? Nein! Einen spannenden Film? Nö! Tom sah sich selbst als Paul Kellermann über die Mattscheibe flimmern. Hatte ich schon erwähnt, dass ich eitle, selbstverliebte Männer nicht ausstehen kann? Na denn …
    Nachdem er es nicht geschafft hatte, mich wachzurütteln, muss er den Zettel einfach in meine Handtasche geschoben haben. Hentelm? 2 x 30 ky? Kombiniere, der Herr will Hanteln, und zwar ziemlich schwere. Wie soll ich, neunundfünfzig Kilogramm Lebendgewicht, denn bitte schön sechzig Kilogramm schleppen? Außerdem will er Klamotten (Jeans, T-Shirts, beides von Diesel), Deo, Körperlotion, Rasierschaum und -utensilien und was zu essen (alles außer Kohlenhydrate).
    Meine Armbanduhr fiept, um mir anzuzeigen, dass die Stunde mit Psychosen-Meyer anfängt. Gerade tritt jemand aus der Eingangstür des hellen, modernen Apartmenthauses, in dem Psychosen-Meyer seine Praxis hat. Na super, da brauch ich wenigstens nicht mehr klingeln, sondern nur noch rein …
    »Frau Leenders?«
    Verwirrt schaue ich dem dunkelhaarigen Mann ins Gesicht, an dem ich mich gerade vorbei- und in das Haus schlängeln wollte. Das darf ja wohl nicht wahr sein: der Kommissar. Verdammt! Was heißt das denn? Bin ich jetzt schon so verdächtig, dass er meinen Therapeuten verhört? Geht das überhaupt? Fallen meine Gespräche mit Psychosen-Meyer nicht unter die ärztliche Schweigepflicht? Oder gilt die nicht bei mutmaßlichen Verbrechern? Ich meine, mal irgendwo so was gelesen zu haben. Was hat Psychosen-Meyer ihm bloß erzählt?
    Der Kommissar räuspert sich: »Frau Leenders?«
    Ich weiß beim besten Willen nicht, was ich sagen soll. »Was zum Teufel machen Sie hier?«, scheint genauso unpassend, wie »Spionieren Sie mir etwa nach?« Aber wenn ich nicht gleich was sage, verhaftet er mich auf der Stelle wegen unmöglicher Manieren.
    Ich schaue ihn immer noch entgeistert an. Warum kann man nie im richtigen Moment ohnmächtig werden? Dabei leide ich doch unter niedrigem Blutdruck, da sollte das doch spontan möglich sein.
    Kommissar Benninger lächelt kühl von oben herab in diese extrem peinliche, einseitige Stille und lässt mich dann mit einem »Na, man sieht sich!« einfach stehen.
    Mein Gesicht spiegelt sich in der gläsernen, inzwischen wieder zugeschlagenen Eingangstür, vor der ich immer noch wie angewurzelt stehe, und meine eigenen schreckgeweiteten Augen schauen mich an. Himmel, ich sehe genauso aus, wie ich mich fühle. So, als wäre gerade ein ganzer Trupp blutrünstiger Vampire über mich hergefallen: blutleer, scheintot und schockgefroren. Und dabei habe ich schon wieder so ein nagendes Déjà-vu-Gefühl in der Magengrube. Warum nur?
    »… und bedingt die Flucht in eine Scheinwelt.« Mein Seelenklempner blinzelt bedeutungsschwanger über die runden, randlosen Gläser seiner Sigmund-Freud-Brille. »Was meinen Sie, Frau Leenders, das trifft es, oder?«
    Ich nicke und habe keinen blassen Schimmer, worum es geht. Meine Gedanken fahren Karussell in meinem Kopf. Rum und rum und rum … Hat er mit ihm gesprochen, ja oder nein? Hatte ich Psychosen-Meyer jemals von Tom erzählt? Kann sein, dass ich »Südstadt« ein paar Mal erwähnt habe, aber …? Können Psychiater Gedanken lesen?
    Ich denke fieberhaft darüber nach, wie ich Psychosen-Meyer eine eindeutige Antwort entlocken konnte. Was schwierig bis unmöglich werden dürfte, denn für gewöhnlich gestalteten sich unsere Unterhaltungen durch seine impertinenten Gegenfragen etwas schwierig. Ich: »Können wir die Therapie nicht bald abschließen?« Er: »Was meinen Sie, können wir?« Ich: »Ich weiß nicht. Ich hätte gerne gewusst, was Sie denken.« Er: »Was glauben Sie, was ich denke?« Ich (entnervt): »Ich weiß nicht, was Sie denken. Sie sind der Arzt.« Er (schlaftabletten-ruhig): »Bin ich das?«
    Psychosen-Meyer scheint meine innere Aufruhr nicht zu bemerken, also kann ich zumindest das Gedankenlesen ausschließen. Verdächtig ist, dass er heute ausgesprochen viel redet. Normalerweise ist das mein Job. In mein überbeschäftigtes Unterbewusstsein dringen Satzbruchstücke wie »… bewusste Verweigerung gesellschaftlich anerkannter Zielsetzungen …« und »… geistiges und soziales Abschirmen …«
    Fieberhaft suche ich nach einem Aufhänger. Soll ich romantisches Interesse an dem Kommissar vortäuschen, à la »Wer war denn der gut aussehende Mann, der

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