Wie ich mir das Glück vorstelle
Sie setzt sich vor den Ofen auf einen Schemel. Die Alte zieht eine Klappe am Ofen auf und wirft da Äste rein. Mit einem Feuerzeug zündet sie ein Stück Pappe an und wirft das auch in den Ofen. Die Äste brennen jetzt. Die Alte schmeißt noch ein großes Stück Holz rein und macht die Klappe wieder zu.
Ich sage: Erinnern Sie sich an mich?
Die Alte antwortet nicht.
Ich sage: Dem Einbeinigen geht es nicht gut.
Die Alte sagt: Auch ihm werde ich helfen.
Ich sage: Wer sind Sie?
Die Alte sagt: Eine alte Frau.
Ich sage: Ich bin Viktor.
Die Alte stellt jetzt einen Topf auf den Ofen. Zuerst wirft sie verschiedene Kräuter rein und dann holt sie aus einer von den Tüten eine Packung Schokoladeneis. Aber als sie die Packung aufmacht, ist da kein Schokoladeneis drin. Da ist eine grüne glibberige Masse drin, die sie in den Topf kippt. Die Alte nimmt einen Kieferast und rührt damit im Topf rum.
Die Alte sagt: Wie geht es dir?
Ich sage: Wie geht es mir?
Ich gucke an mir runter. Die Wunde am Rücken ist weg. Das Fleisch ist noch ein wenig rot, aber nicht mehr offen und nicht mehr nass. Die Kruste auf den Schultern ist auch weg.
Ich sage: Da ist nichts.
Die Alte sagt: Langsam, langsam.
Ich schaue noch einmal genau hin und fahre mir mit der Hand drüber.
Ich sage: Nein, da ist nichts.
Die Alte nimmt den Topf vom Ofen und kommt auf mich zu. Die Haare gucken unter dem Kopftuch vor wie bei der Oma manchmal. Die Haare fallen ihr ins Gesicht und das sieht unordentlich aus. So ist das bei der Oma nie. Wo bei mir die Augen sind, ist bei der Alten gar nichts. Nur Haut. Ich soll mich hinstellen und die Hände an die Wand halten. Der Stein ist rauh und warm. Die Alte rührt mit dem Kieferast im Topf rum. Sie schlägt mir den Ast auf den Rücken. Die Alte murmelt Zaubersprüche vor sich hin, die ich nicht verstehe. Jetzt streicht sie mir mit dem Ast über den Rücken. Das wird ganz heiß. Die Alte verteilt den ganzen Inhalt aus dem Topf auf meinem Rücken und geht raus aus der Höhle. Ich bleibe stehen und warte. Die Alte kommt wieder und hat ein Fell dabei. Ich kann nicht erkennen, von welchem Tier das ist. Die Alte streicht mir auch damit über den Rücken und verteilt die warme Brühe über meinen Körper. Die faselt wieder irgendwelche komischen Sachen vor sich her.
Die Alte sagt: Jetzt bleib so stehen.
Die Alte geht schon wieder aus der Höhle raus. Diesmal bleibt sie noch länger weg. Als sie wiederkommt, hat sie die Rückenspinne dabei. Sie legt mir ein sauberes Tuch auf den Rücken und schnallt die Rückenspinne fest. Die Alte nimmt eine Tüte von der Wand.
Sie sagt: Das ist für dich und deinen einbeinigen Freund.
Ich kann sehen, dass in der Tüte ein großes Stück Fleisch drin ist. Außerdem liegen da noch andere Sachen drin. Kartoffeln und eine Süßigkeit. Mein Taschenmesser kann ich auch sehen.
Ich sage: Danke.
Die Alte sitzt wieder auf dem Schemel vor dem Ofen und stochert mit einem Stock in der Glut herum. Es ist, wie wenn ich gar nicht mehr da bin in der Höhle. Ich ziehe mir schnell die Sporthose und das Unterhemd an. Beides riecht nach frischer Wäsche. Ich gehe aus der Höhle raus. Ich sehe, dass die Alte links im Elefantengehege ein kleines Beet anlegt. Außerdem steht da ein Auto ohne Räder und Fenster. Der Kofferraumdeckel ist auf und da drin sitzen ein paar Hühner. Dahinter lehnt am Zaun ein großes Brett. Ich muss das nur ein wenig zur Seite schieben. Dann bin ich draußen.
Am ausgebrannten Kaufhaus sehe ich, dass einer die umgestürzten Sattelschlepper auseinandernimmt. Aber jetzt ist da keiner mehr. Ein Reifen liegt auf der Straße. Ich nehme den Reifen mit und rolle ihn vor mir her. Als ich am letzten Friedhof vorbeikomme und zwei Straßen vor unserer Bude bin, rennt Tango auf mich zu und springt an mir hoch. Ich halte schnell die Tüte weg, damit er nicht an das Fleisch kommt. Tango rennt um mich rum und wedelt mit dem Schwanz. Ich rolle den Reifen hinters Haus zur Feuerstelle. Ich gehe ins Haus. Der einbeinige Dschib liegt noch genauso auf dem Boden, wie ich ihn zuletzt sehe. Der ist wach und starrt zum Loch an der Decke, wie wenn da ein Fernseher steht.
Der einbeinige Dschib sagt: Wo warst du?
Ich hole zwei Zigarettenstummel aus dem Küchenschrank und zünde sie uns an. Ich stecke dem einbeinigen Dschib den längeren Stummel in den Mund. Ich erzähle ihm die Geschichte von der Alten und der hört ganz genau zu.
Ich sage: Guck mal, hier ist die Tüte.
Der einbeinige Dschib sagt: Was
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