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Wie ich mir das Glück vorstelle

Wie ich mir das Glück vorstelle

Titel: Wie ich mir das Glück vorstelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Kordić
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an uns vorbei. Die Hand von der Oma schwitzt. Als wir schon weit gehen und wir nicht mehr in den Baracken sind und ich nicht mehr kann, biegen wir um eine Ecke und da stehen noch mehr Menschen. Die Gruppe ist jetzt viel größer und ich passe auf, dass ich die Mutter nicht aus den Augen verliere. Keiner sagt was. Mit der großen Gruppe gehen wir nur ein kurzes Stück. Bis wir zu einer Brücke kommen. Hier bleiben alle wieder stehen und warten. Wir warten ganz schön lang. Es passiert nichts. Die Oma zieht was aus ihrer Jacke raus und gibt mir das. Das ist das Foto von dem Bruder und mir im Gärtchen. Die Oma streicht mir durchs Gesicht und ihre Hand ist ganz weiß von der Schminke. Wenn die das noch mal macht, können mich alle sehen.
    Die Oma sagt: Nimm du das.
    Ich sage: Was ist, wenn wir eine Anzeige machen müssen?
    Die Oma sagt: Nimm schon!
    Ein Krieger ruft: Weitergehen!
    Und dann nimmt der Krieger ein Megaphon und brüllt über die Brücke: Hey, ihr da drüben, gleich bekommt ihr euer durchlöchertes Fickfleisch! Ta-ta!
    Wir gehen an einer Blechhütte vorbei. Ein paar Säcke sind um die Hütte rum gestapelt. Durch das Fenster kann ich sehen, wie da einer ein Funkgerät in der Hand hat, aber der spricht da gar nicht rein, der raucht eine Zigarette. Wir gehen über die Brücke. Der Schnee fällt in den Fluss. Ich kann die Mutter nicht mehr sehen. Vor mir geht ein anderes Kind. Das trägt eine blaue Winterjacke. Als mit einem Mal alle losrennen.
    Keiner kann den Jungen sehen. Der Junge lässt die Hand von der Oma los und bleibt stehen. Alle rennen an ihm vorbei. Der Junge dreht sich um. Der Junge sieht die Menschen auf sich zurennen. Er läuft ihnen entgegen. Er läuft in die andere Richtung. Der Junge rennt die Brücke zurück. Er rennt über eine Frau, die am Boden liegt. Er tritt auf eine Hand. Der Junge rennt vorbei an der Blechhütte mit den Kriegern. Der Schnee ist weiß. Der Junge ist weiß. Der Regenkittel reicht ihm bis zum Boden. Mit dem Plastikkoffer in der Hand rennt der Junge den ganzen Weg zurück in die Baracken. Der Junge muss aufpassen, dass er den Koffer nicht fallen lässt. Der Junge rennt am Gärtchen vorbei. Der Junge rennt am Blumenladen vorbei. Der Junge rennt am Haus mit der Nummer 38 vorbei. Und dann steht er vor seinem Haus. Er verschnauft. Oben auf dem Balkon sieht er die Mutter von dem Mudschijungen stehen. Sie winkt ihm. Der Junge formt die Hand zu einem Revolver, kneift das rechte Auge zu und zielt. Der Junge sagt: Ta-ta. Der Schnee ist ganz zertreten. Die Haustür steht offen. Der Junge geht rein. Vor den Briefkästen bleibt er stehen. Der Junge stellt sich auf seinen Koffer. Er greift in seine Hosentasche und holt den Zettel für den Vater raus. Der Junge muss sich strecken. Er schiebt das Papier in den Briefkasten von seiner Familie. Dann geht der Junge durch den Flur in den Hof zu den Hundehütten. Die Ketten liegen auf dem Boden. Einer hat die Hunde freigelassen. Der Junge geht zu der Hütte, wo der Hund mit dem zotteligen Fell wohnt. Der Junge wirft seinen Koffer rein und krabbelt hinterher. Bis am nächsten Morgen bleibt der Junge in der Hundehütte. Er ist die ganze Zeit wach. Manchmal schaut er hinaus. Aber da ist keiner. Als es langsam wieder hell ist, kriecht er raus und geht los.
DIE BOTSCHAFT
    Der Eingang zur Höhle ist mit zwei Stöcken verbarrikadiert. Das sieht so aus:

    Dahinter sieht es aus, wie wenn jetzt die Sonne scheint. Es riecht nach nassen Elefanten. Die Rückenspinne ist ab. Ich liege in drei Decken eingerollt auf dem Boden. Neben mir steht ein Glas. Das ist bis oben hin voll mit Maiskörnern. Darin steckt eine abgebrannte Kerze. Außerdem liegt neben mir ein großes Messer. Ein Krug Milch steht da noch. Ich trinke die Milch aus. Hinten an der Wand sehe ich einen Ofen. Unter dem Abzugsrohr liegt eine schwarze Katze und die schläft. Ein Kühlschrank steht da rum. Daneben ist alles voll mit gehacktem Holz. Und da wo kein Holz ist, hängen gefüllte Plastiktüten an der Wand. Weißt du vielleicht, was da drin ist? Von der Decke hängt Fleisch runter. Unter dem Fleisch steht ein Krankenhausbett. Aber darauf ist keine Matratze, da stehen viele Töpfe auf dem Rost. Ich gucke genauer hin und sehe, dass da ein Huhn und noch eine zweite schwarze Katze an einem Topf dran sind und was trinken.
    Als die Alte plötzlich draußen vor der Höhle steht. Die nimmt die beiden Stöcke weg. Die Alte hat zwei Tüten dabei und die hängt sie zu den anderen Tüten an die Wand.

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