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Wie ich mir das Glück vorstelle

Wie ich mir das Glück vorstelle

Titel: Wie ich mir das Glück vorstelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Kordić
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zwei große Plastiktüten.
    Ich sage laut: Noch siebeneinhalb Minuten.
    Ich gehe weiter ins Schlafzimmer und dort ist der Rest von der Familie. Die andere Tante, der Opa, der Onkel, die Mutter und die Oma. Auf dem Boden haben die zwei große Koffer stehen und eine Reisetasche und da werfen sie die Kleidung rein. Sie sprechen ganz leise.
    Ich gehe zu meinem Bett und hole aus der Kommode ein Stück Papier und einen grünen Filzstift raus. Ich schreibe da drauf:
    Papa, wir wohnen jetzt in einer schönen Wohnung auf der anderen Seite vom Fluss. Ich singe unsere Lieder. Dein Viktor
    Ich falte den Zettel zusammen und stecke ihn in die Hosentasche. Der Onkel stellt einen Stuhl an das Fenster und steigt drauf. Er nimmt die Gardinenstange runter und zieht die Gardine von der Stange ab. Aus dem Treppenhaus höre ich, wie einer was ruft. Da ist was los. Der Onkel klappt die Koffer zu und trägt alles zusammen mit der Gardinenstange in den Flur. Alle gehen in den Flur. Ich bin allein im Schlafzimmer und höre, dass die anderen Kinder sich noch mehr Hosen, Pullis und Jacken anziehen sollen. Ich krieche unter mein Bett und ziehe den kleinen Plastikkoffer vor, in dem ich die Sachen aufhebe, die keiner sehen darf. Ich schütte alles aus dem Koffer raus und packe zwei Sachen wieder rein: den Zauberwürfel und den Grundig Yacht Boy 500. Ich gehe zum Schrank. Ich lege Socken in den Koffer und den weißen Regenkittel. Ich gehe zu den Spielsachen von dem Bruder. Da liegt auf dem Regal das versteinerte Stück Holz von dem Vater und der Bruder benutzt es wie einen Revolver. Ich lege es auf die Socken und klappe den Koffer zu. Ich gehe in den Flur. Ich ziehe mir die Schuhe an und binde eine Schleife.
    Ich sage: Noch drei Minuten.
    Alle stehen vor mir. Ich höre, wie in der Küche der Kaffee überkocht. Die Familie steht da einfach nur rum und wartet. Ich renne schnell ins Bad. Ich schiebe die Kiste mit dem Waschpulver vor den Spiegelschrank und klettere drauf. Ich nehme was von der Geisterschminke. Ich schmier mir das Gesicht ganz weiß, mache den Koffer auf und ziehe mir auch den Geisterkittel über.
    Ich sage: Zehn Minuten sind um.
    Der Onkel macht langsam die Tür zum Hausflur auf. Da sind viele Menschen draußen. Als keiner mehr kommt, nimmt er die Gardinenstange und geht vor.
    Der Onkel sagt: Hängt mir die Koffer und die Tüten drauf.
    Die Mutter hängt einen Koffer auf die Stange, die Tante hängt die Reisetasche auf die Stange, die Cousine hängt eine Tüte mit Geschirr auf die Stange. Die andere Tüte und der andere Koffer passen nicht mehr drauf und die Cousine nimmt die Tüte und der Cousin nimmt den Koffer. Ich trage meinen Koffer allein. Wir gehen alle raus aus der Wohnung. Die Mutter geht als letzte und macht zu. Wir passen nicht alle in den Fahrstuhl und deswegen fährt keiner mit dem Fahrstuhl. Wir gehen alle zusammen die Treppen runter. Der Opa geht hinter dem Onkel und passt auf, dass der Onkel mit der Stange nicht die Wände von dem Haus kaputtmacht. Wir gehen zwei Stockwerke runter und da steht ein Krieger mit einem Maschinengewehr. Der Krieger sagt gar nichts und guckt uns nicht an, als wir an ihm vorbeigehen. Der guckt einfach geradeaus an die Wand, wo der Fahrstuhl runterfährt. Ich gucke da auch hin. Da ist nichts. Unten ist alles voller Menschen. Die werden gezählt. Wir stehen im Hausflur. Ich nehme die Hand von der Oma. Wir gehen endlich aus dem Haus raus und ich sehe, dass es schneit. Da sitzen zwei Krieger hinter einem kleinen Tisch. Einer hat eine Mappe und einen Stift in der Hand und zusammen zählen die noch mal durch und schreiben alles auf.
    Der Krieger sagt: Gehört diese Missgeburt zu Ihnen?
    Ich sage: Ja.
    Der Krieger sagt: Gehen Sie da rüber.
    Die Oma und ich gehen zu zwei Frauen und zu einem Mann, die bei einem Krieger stehen. Die Mutter und der Bruder sind auch zusammen in einer Gruppe. Die anderen sehe ich nicht. Die Oma ist sehr dick angezogen und unter ihrem Kopftuch ist es bestimmt sehr heiß. Die Oma schwitzt. Es schneit. Als alle aus dem Haus draußen sind, machen die Krieger aus den vielen kleinen Gruppen zwei große Gruppen. Die erste Gruppe muss in einen Bus einsteigen. Wir müssen zu Fuß gehen. Keiner spricht. Ich höre nur den Schnee unter den Füßen quietschen. Von uns kommen alle in die Straßengruppe. Ich kann jetzt vorne den Onkel und den Opa sehen und hinten gehen die Mutter und der Bruder und dann kommen auch die Cousinen und die Tanten mit den Babys. Der Bus mit den anderen fährt

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