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Wie ich Rabbinerin wurde

Wie ich Rabbinerin wurde

Titel: Wie ich Rabbinerin wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisa Klapheck
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unter dem Himmel. Vergiss nicht!
(Dt. 25:17   –   19).
     
    Jedes Jahr lesen wir diesen paradoxen Auftrag:
Erinnere dich, um die Erinnerung auszulöschen.
     
    Amalek
– das ist das radikal Böse.
    Amalek
– das ist der Feind der Juden.
     
    Nach der Israelreise habe ich mich an der Freien Universität immatrikuliert und studiere parallel zu meiner journalistischen Arbeit Judaistik. Mit Hilfe von Niko Oswald, einem Dozenten, lese ich alle
Midraschim
zum Thema
Amalek
.
    Zugleich werde ich auf ein von Professor Michael Brocke mit herausgegebenes Buch aufmerksam:
Wolkensäule und Feuerschein. Jüdische Theologie des Holocaust.
Darin steht ein Aufsatz von Eliezer Berkovits über das
Verbergen Gottes
. Er bezieht sich unter anderem auf die Esther-Geschichte, in der Haman – ein Nachfahre des amalekitischen Königs Agag – alle Juden in Persien vernichten will. An keiner Stelle kommt in der Erzählung der Name Gottes vor. Gott ist abwesend. Daraus haben bereits die talmudischen Rabbiner ein theologisches Verständnis für ein Unheil vom Ausmaß der
Schoa
abgeleitet. Der Schlüssel liegt im Namen »Esther«. Erstaunt über das darin enthaltene Anklingen der eigentlich verpönten Liebes- und Kriegsgöttin
Astarte
, suchen sie ein
Remes
, ein Zeichen, das dem Namen eine jüdische Wendung gäbe – und führen hierzu einen Vers aus der Tora an: »Anochi
haster astir
panai«, »Ich werde mein Antlitz
verbergen
«
(Dt. 31:18)
.
    Das »Verbergen des Antlitzes« – das ist die Welt, in der Gott nicht mehr vorkommt, in der das Böse herrscht und großes Unheil geschieht. Das ist auch die Welt des »tausendjährigen Reiches« mit seiner Ideologie des arischen Herrenmenschen, der Gott leugnet, sich selbst an dessen Stelle setzt und auszieht, um andere Völker zu vernichten.
     
    Die
Midraschim
»lese« ich nicht nur, sie sind vielmehr ein Medium für die geistigen Bewegungen, in denen ich meine Auseinandersetzung mit
Amalek
zugleich »lebe« – mit dem großen Amalek in der deutschen Geschichte, mit dem kleinen, der mich auch heute im Geist von Menschen bedrohen kann.
     
    Jüdischer Monotheismus ist nicht dualistisch. Er teilt die Welt nicht in Schwarz und Weiß ein, kennt keinen »Teufel«, keinen zweiten »Negativgott« gegenüber einem »Positivgott«. Er redet von keiner »Anti-Macht«, die ein eigenes, von Gott unberührtes Reich betreibe. Vielmehr ist alles von dem
einen
Gott erschaffen worden – auch das Böse.
    Ich bin der Ewige, und keiner sonst,
    der Helle bildet, Dunkel schafft,
    Heil wirkt und Übel schafft,
    ich bin’s, der Ewige,
    der all dies tut.
(Jes. 45:6   –   7)
    Alles hat seinen Platz: der Baum der Erkenntnis im Garten Eden, der zum Wissen über das Gute und Böse befähigt, ebenso wie der
Jezer Hara
, der »böse Trieb« im Menschen, der durchaus zum Guten dienen kann – der
Satan
, der »Widersacher«, der das Böse im Guten hervorlockt   –, und auch
Amalek
.
     
    Über den
Jezer Hara
schreibt der
Midrasch
:
     
    Ist denn der böse Trieb sehr gut? Ja, denn wenn er nicht wäre, würde kein Mensch ein Haus bauen, heiraten, Kinder zeugen und Verkehr treiben.
(BerR 9:7)
     
    Die
Mischna
verlangt:
     
    Jedermann ist verpflichtet, für das Böse ebenso Gott zu danken, wie man für das Gute Gott dankt. Denn es heißt: Du sollst den Ewigen deinen Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und aus allen Kräften. Von ganzem Herzen heißt: mit beiden Trieben, dem guten und dem bösen.
(Brachot 9:5)
     
    Der Schabbat vor
Purim
verweist auf
Amalek
. König Agag, der zur Zeit von König Saul Krieg gegen die Israeliten führt, ist ein
Amalekiter (1.   Sam. 15)
. Haman, der in der Esther-Geschichte alle Juden Persiens vernichten will, ist eine Verkörperung des
Amalek
. Hitler ist
Amalek
. Die
Schoa
und der Zweite Weltkrieg sind das Werk
Amaleks
.
    Das Gebot, das »Gedächtnis Amaleks« auszulöschen, verweist auf ein Ereignis im Buch
Exodus
unmittelbar nach dem Auszug der israelitischen Sklaven aus Ägypten:
     
    Da kam Amalek und stritt gegen Israel in Refidim. Und Moses sprach zu Josua: Wähle uns Männer und ziehe aus, streite gegen Amalek. Morgen werde ich stehen auf dem Gipfel der Anhöhe, den Stab Gottes in meiner Hand. Und Josua tat, so wie Moses zu ihm gesprochen hatte, mit Amalek zu streiten. Und Moses, Aaron und Chur stiegen hinauf auf den Gipfel der Anhöhe. Und es geschah, so wie Moses seine Hand erhob, siegte Israel, und so wie er seine Hand sinken ließ, siegte Amalek. Da die Hände

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