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Wie ich Rabbinerin wurde

Wie ich Rabbinerin wurde

Titel: Wie ich Rabbinerin wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisa Klapheck
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Rabbinatsausbildung im
Aleph Rabbinic Program
absolviert, dessen Dekanin Marcia Prager ist.
    Ich zeige ihr mein gerade erschienenes Buch über Regina Jonas und spreche dabei an, dass ich inzwischen selber erwäge, Rabbinerin zu werden. Sie lädt mich ein, zum nächsten Treffen der Studenten in einem Ort in der Nähe von New York zu kommen.
     
    Elat Chayyim.
Etwa 30 amerikanische Studenten nehmen an den Kursen des jüdischen Lernzentrums in der Nähe von New York teil. Die meisten sind älter als ich – fast alle haben lange Wege in anderen Berufen hinter sich, fast alle haben lange Auseinandersetzungen mit der jüdischen Religion geführt, bis sie sich für den Weg ins Rabbinat entschieden haben, manche sind orthodox aufgewachsen, andere säkular, alle sind Persönlichkeiten mit bemerkenswerten Biographien, durch die sich teils offensichtlich, teils versteckt die religiöse Berufung zieht.
    Das Treffen beginnt mit einer Zeremonie. In der Mitte sitzen die Studenten, die an diesem Wochenende ordiniert werden – ihre
Smicha
erhalten. Einer von ihnen ist Andreas Nachama. Um sie herum sitzt ein zweiter, größerer Kreis von Studenten, die schon eine Weile in dem Programm studieren. Um diese wiederum sitzt ein dritter Kreis von Menschen, die sich im Prozess der Aufnahme in das
Aleph Rabbinic Program
befinden. Und um sie herum steht ein vierter Kreis von Stühlen für diejenigen, die gekommen sind, um das Programm kennenzulernen und es sich als Außenstehende anzusehen.
    Ich nehme Platz im vierten Kreis. Die Zeremonie soll beginnen. Da steht Rabbinerin Marcia Prager plötzlich auf, kommt mit einem herausfordernden Lächeln auf mich zu, zieht mich am Schulterzipfel meines T-Shirts und platziert mich in den nächstinneren, dritten Kreis, in den Kreis derjenigen, die jetzt in das Programm aufgenommen werden.
     
    Es ist geschehen.
     
    Ob ich religiös genug bin, ob ich die jüdische Tradition als Ganzes tragen kann, ob ich eine Perspektive als Rabbinerin in Deutschland haben werde – das werde ich ab jetzt Schritt für Schritt für mich sortieren und dabei selber Rabbinerin werden, ohne dass es ein Zurück gäbe. Denn mein ganzer Lebensweg hat mich – mal mit einer verborgenen, mal mit einer offensichtlichen Bestimmung – zu diesem Punkt hingeführt. Er fühlt sich von nun an nicht nur als die vollkommen richtige Entscheidungan, sondern im Rückblick als die einzige logische Konsequenz dessen, was ich, wenngleich mit Zweifeln und Auseinandersetzungen unter den nicht gerade einfachen Bedingungen jüdischen Lebens in Deutschland, immer gewesen bin, noch bevor ich es offiziell von mir behaupten kann.
     
    Am 2.   Januar 2004 fliege ich zur Rabbinerkonferenz
Ohalah
nach Boulder bei Denver. Es ist früher Morgen, als ich auf dem Berliner Flughafen Tegel durch die Passkontrolle gehe.
    Hinter mir liegen gute vier Jahre intensiven rabbinischen Studiums, die ich mit meiner Arbeit in der Jüdischen Gemeinde und meinem Engagement in der Synagoge Oranienburger Straße verwoben habe.
    Das von Rabbiner Zalman Schachter-Shalomi gegründete
Aleph
-Programm, das zur amerikanischen »Renewal«-Bewegung gehört, überzeugt mich schon deshalb, weil es sich auf keine Denomination festlegt. Es ist nicht reformjüdisch, nicht konservativ und auch nicht orthodox. Es grenzt sich von keiner dieser Richtungen ab, sondern schöpft aus allen Traditionen, um den religiösen Inhalten in der gelebten Wirklichkeit heutiger Juden neue Bedeutung geben zu können. Es bezieht dabei auch die jüdische Mystik – die
Kabbala
und den
Chassidismus
– mit ein, ebenso wie die jüdische Religionsphilosophie von Philo oder Maimonides und die modernen Lehren von Franz Rosenzweig oder Abraham Joshua Heschel. Zugleich greift es die Themen der Zeit auf – Ökologie, Auseinandersetzung mit anderen Religionen oder den Feminismus – und strebt durch sie einen
Tikun Olam
, eine »Reparatur« oder »Heilung der Welt« an. Es ist ein Judentum voller Spiritualität, dessen Praxis dem Leben Bedeutung gibt, ja sogar ein Lebensvergnügen sein kann und die unmittelbare Welt um einen herum zum Besseren beeinflusst. Ein Judentum, das weiß, dass alles spirituelle Wissen ohne die spirituelle Verbindung mit Gott nicht bestehen kann, doch alle Spiritualität in dem Fundament des menschlichen Verstandes verankert sein muss.
    Abgesehen von den Studieninhalten habe ich auch das jüdische Leben in Deutschland aus einer neuen Perspektive zu beurteilen gelernt. In den USA ist mir eine

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