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Wie immer Chefsache

Wie immer Chefsache

Titel: Wie immer Chefsache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Ruetter
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gestört. Was sollte dieses knappe »Hi«? Der Typ konnte Art Director sein, wie er wollte, aber er, Mattes Reuter, war der neue Chefredakteur. Ein bisschen Respekt war da angebracht. Frau Althoff war an der Tür stehen geblieben und wedelte die auf den Flur quellenden Qualmwolken demonstrativ weg. Peter Plattler bemerkte es und kommentierte als Ansage an den neuen Chef: »Hier wird nur gelüftet, wenn ich abends raus bin.« Sein Tonfall gab zu verstehen, dass es ein unveränderbares Grundgesetz der Redaktion war und dass es darüber keinerlei Diskussion geben würde, weil er ansonsten auf der Stelle und für immer das Redaktionsgebäude verlassen würde. Mattes unterdrückte einen Hustenreiz und fragte: »Haben Sie hier keine Raucherecke?« »Das IST die Raucherecke«, verkündete Herr Plattler dumpf. »Solange die Tür geschlossen bleibt, hat keiner ein Problem.« Inzwischen war der größte Teil des Rauches an der wild wedelnden Frau Althoff vorbei in den Flur gezogen, sodass Mattes das Zimmer betrachten konnte. Der Tisch lag voll mit Skizzen, Papieren und farbigen Entwürfen. An den Wänden hingen mit Klebeband nachlässig befestigte Poster und Plakate, von denen ein großer Teil mit dem Suizeeds-Schriftzug versehen war. Auf dem Boden lagen weitere Farbentwürfe und unordentlich gestapelte Papierberge. Das Zeug lag doch auch ohne geöffnete Türen und Fenster immer auf dem Boden, dachte Mattes und fragte sich, ob der Grafiker das Chaos noch im Griff hatte oder ob er im Griff des Chaos war. Interessiert betrachtete er eines der Poster. Das war augenscheinlich eine der Musikrichtungen, mit der er nichts anfangen konnte und die er ranggleich mit ›Lärm‹ einordnete.
    »Haben Sie mit dieser Gruppe zu tun?«, fragte er interessiert, weil ihm der Name aus allen Ecken des Zimmers ins Auge sprang.
    »Ich mache die Plakate«, erklärte Peter Plattler in wesentlich freundlicherem Ton und wirkte sofort etwas aufgeschlossener.
    Mattes lachte leicht: »Ich dachte schon, Sie würden auch so einen Krach machen.« Nach einem kurzen Moment der Stille, die Mattes sofort als bedrückend empfand, sagte Peter Plattler langsam: »Ich spiele manchmal Bass«, und betonte: »… bei dem Krach.« Verschissen, dachte Mattes und hätte sich selber treten können. Peter Plattler wandte sich wortlos seinem Schreibtisch zu und zeigte damit das Ende des Gespräches an.
    Stumm begab sich Mattes mit Frau Althoff auf den Rückweg zu seinem Büro. Seine Vorstellungsrunde als souveräner, die Mitarbeiter sofort beeindruckender Chef konnte er als völlig gescheitert bezeichnen. Aber was für Typen arbeiteten hier? War es Absicht von der Althoff, dass sie ihn vorher mit den aufgeblasenen Berufsbezeichnungen bombardiert hatte, wenn ihr doch klar sein musste, dass er kurz danach die Realität erkennen würde? Und wie bescheuert musste man sein, um hier den Posten des Chefredakteurs anzunehmen?
    Er drehte sich ruckartig zu Frau Althoff um und versuchte sie zu überrumpeln: »Warum ist der Chefredakteur gegangen? Lebt er überhaupt noch?«
    »Natürlich lebt er noch!«, sagte sie schnell und sah ihn kritisch an, als ob er eine besonders dämliche Frage gestellt hatte.
    So dämlich kam sie ihm aber gar nicht vor, und er guckte fordernd zurück.
    »Sein Weggang hatte finanzielle Gründe, er …« Sie suchte nach Worten. Die plötzliche Frage hatte sie tatsächlich überrascht, und sie bemühte sich, eine unverfängliche Antwort zu basteln. Mattes merkte, wie in ihm Ärger aufstieg. Ärger auf Frau Althoff, die nicht klar antwortete, auf die unsichere Situation, in der er sich befand, und nicht zuletzt auf sich selbst.
    »Jetzt?«, rief Tina freudig, die in der kleinen Küchenzeile stand und anscheinend die ganze Zeit auf das Kommando zum Anstellen der Kaffeemaschine gewartet hatte.
    »Nein!«, rief Mattes entnervt, was die schmale Praktikantin veranlasste, motzig: »Oh, nee!« zu rufen und beleidigt aus seinem Sichtfeld zu verschwinden. Er sah Frau Althoff an und verlangte mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete: »Morgen um 10 Uhr will ich alle in meinem Büro sehen. Ich setze eine Redaktionsbesprechung an.«
    »Zehn Uhr geht nicht. Um elf Uhr ist Abgabe. Die geht vor.«
    Sie sah ihm gerade in die Augen und schlug mit ruhiger Stimme vor: »Zwölf Uhr.«
    Er seufzte und merkte, wie die von Ärger hochgekochte Spannung in sich zusammenfiel. Auf einmal fühlte er sich leer und müde. Er nickte: »Zwölf Uhr. Für alle.« Tina piepste um die Ecke:

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