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Wie immer Chefsache

Wie immer Chefsache

Titel: Wie immer Chefsache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Ruetter
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und rief übergangslos: »Ist der süß!! Cool! Ist das Ihrer?« Ehe Mattes reagieren konnte, hing sie schon quer über Mina und streichelte sie.
    »Hey, du kannst doch nicht einfach auf einen fremden Hund zustürzen!«, rief Mattes aus.
    »Ach, der ist lieb, das hab ich gleich gesehen«, beruhigte Tina.
    »Sie kann beißen«, warnte Mattes und sah, wie sich Mina gelassen auf den Rücken drehte und von Tina den Bauch kraulen ließ. Verräterin, dachte er. Jetzt hätte sie doch mal knurren können.
    Tina lachte auf: »Mit Hunden kenn ich mich aus. Wenn Sie da mal nix wissen, ich weiß ganz viel. Das lernen Sie auch ganz schnell. Und wenn’s nicht klappt, haben Sie ja mich für zum Fragen.«
    Ein Räuspern von Frau Althoff, die in der Tür stand, brachte Tina sofort wieder auf die Beine, und die strenge Frage: »Tassen, Tina?«, zurück in die Küche, wo sie mit lautem Klappern Tassen und Löffel zusammensuchte.
    Einige Minuten nach zwölf saß Mattes in seinem schwarzen Leder-Chefsessel und sah auf die vollständig versammelte Redaktionsmannschaft, die aus drei Mitarbeitern und einer Praktikantin bestand und um seinen Schreibtisch verteilt saß. Er hatte selten eine Ansammlung so verschiedener Typen auf einen Blick gesehen.
    Die Althoff, bestimmt schon an die 60, hatte die charmante Ausstrahlung einer Geheimagentin aus Moskau. Oder eher die einer Doppelagentin, das war’s. Ihr war von keiner Seite zu trauen. Und wer weiß, vielleicht war sie wirklich eine Spionin. Genau solche Typen agierten eiskalt in James-Bond-Filmen. Die Mata Hari des Verlagswesens. Agentin Althoff, Spezialistin für Magazinspionage und die Beseitigung störender Chefredakteure. War sie eigentlich verheiratet? Der arme Mann!
    Nadine Berger war ganz nett und – er sah zum ersten Mal genauer hin – die sah nicht mal schlecht aus. Sie hatte ein glattes, regelmäßiges Gesicht und nette Augen. Aber sie war das personifizierte Unscheinbare. Ein sanftes Wesen mit mausbraunen Haaren und ohne auffällige Charakterzüge. Auf der Straße würde er sie einfach übersehen.
    Das würde ihm bei dem seltsamen Grafiker nicht passieren. Wie sollte man eigentlich jemandem glauben, dass er ein Händchen für gutes Design hatte, wenn er wie eine Mischung aus Rot-Kreuz-Kleidersack und Hausbesetzer aussah? Und wieso saß der eigentlich so provozierend auf seinem Stuhl? Arme verschränkt und Beine weit von sich gestreckt. Und dabei dieser penetrante Nikotingeruch, der in jede seiner Fasern eingedrungen war und nun leicht müffelnd aufstieg und die Büroluft füllte. Hatte der übersehen, dass er seinen 20. Geburtstag vor sehr langer Zeit gefeiert hatte? Fühlte sich vermutlich cool und merkte nicht, dass es schon seit langem ins Lächerliche umgeschlagen war. Und Tina? Die färbemittelgeschädigte Praktikantin, die sich mit Nadeln Löcher in die Ohren bohrte? Oh, Gott. Nee! Das war das Team, mit dem er durchstarten wollte. Na, herzlichen Glückwunsch! Wieso war er auf die Idee gekommen, dass der Job als Chefredakteur ein Aufstieg sei? Hier war der Abgrund, und er saß mittendrin.
    »Alles gut gelaufen mit der Abgabe?«, fragte er, um das Gespräch zu beginnen. Herr Plattler brummte »Mmh« und setzte deutlich »Wie immer« hinterher. Das stellte sofort klar, dass es auch ohne Mattes wunderbar lief. Und es war eine knallharte Provokation.
    »Wie immer gibt es nicht mehr«, sagte Mattes in den Raum und sah mit Freude, dass die Anwesenden überrascht guckten.
    »Ich habe mir gestern Abend ›Hassos Herrchen – Finas Frauchen‹ angesehen und das war der Tod des Magazins.«
    So krass hatte er es gar nicht sagen wollen. Es war ihm einfach herausgerutscht, weil ihn die ablehnende Haltung der Anderen ärgerte.
    Frau Althoff fragte mit skeptischem Unterton: »Sie wollen es ändern?«
    »Nein«, sagte Mattes und hörte sich sagen: »Nicht ändern. Wir machen ein komplett neues Magazin.« Frau Althoff lächelte leicht, als wäre Mattes ein Kind, das sich zu Weihnachten das Matterhorn wünscht. Sie nahm ihn nicht ernst. Auch der Grafiker hatte spöttisch die Augenbrauen hochgezogen und sah ihn mit unverhohlener Überheblichkeit an. Nur die Augen von Frau Berger waren vor Erstaunen kugelrund geworden. Vermutlich aber nicht, weil sie so überrascht von der großartigen neuen Idee war, sondern weil sie sich wunderte, wie der neue Chefredakteur so einen Blödsinn von sich geben konnte. Wenn er es jetzt nicht durchzog, hatte er verloren. Er war auf das Zehnmeterbrett geklettert

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