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Wie immer Chefsache

Wie immer Chefsache

Titel: Wie immer Chefsache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Ruetter
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und musste springen, wenn er nicht unter dem überheblichen Grinsen der ›Haben-wir-doch-gewusst,-dass-er’s-nicht-macht«-Zuschauer geschlagen und blamiert die Leiter wieder hinunterklettern wollte.
    »Ich mache keine Witze«, sagte er mit fester Stimme und hielt sich inzwischen fast selber für einen Witz. »Wir entwickeln ein komplett neues Magazin, und das schon für die nächste Ausgabe.«
    Diesmal war die Stimme von Frau Althoff deutlich verstört: »Das geht nicht!« Mattes stimmte ihr innerlich völlig zu und hielt sich für einen kompletten Vollidioten. Was machte er da? Er hatte überhaupt keine Ahnung, wie er auf die Schnelle ein neues Magazin entwickeln sollte. Eigentlich hatte er nur eine Fragerubrik einbauen wollen. Aber jetzt war er schon zu weit gegangen. Er hatte soeben einen kompletten Neustart angekündigt. Aber warum eigentlich nicht? Wenn es schief ging, war er draußen, aber das war ganz bestimmt nicht das Schlechteste, was ihm passieren konnte. Er hatte keinerlei Erfahrung im Entwickeln von Magazinen und pokerte weit über seinen Möglichkeiten, aber Kreativität und Frechheit konnten die fehlenden Kenntnisse bestimmt ausgleichen.
    Laut zählte er auf: »Neuer Titel, neues Design, neuer Inhalt. Und das Magazin erscheint nicht mehr wöchentlich, sondern einmal im Monat.«
    Die Idee war ihm spontan gekommen. Einmal im Monat bedeutete weniger Arbeit als eine wöchentliche Abgabe und ließ ihm wesentlich mehr Zeit für andere Sachen.
    »Unmöglich!«, rief Frau Althoff, und Herr Plattler schnaubte halblaut: »Nicht mit mir!«
    Mattes spielte weiter: »Das ist ab jetzt Chefsache! Ich will neue Anzeigenkunden, hochwertigere Fotos und interessantere Artikel.«
    Frau Althoff bemerkte scharf: »Wir sind nicht ›Der rote Teppich‹.«
    Mattes drehte sich zu ihr hin: »Nein, aber wir wollen eine Auflagenhöhe wie ›Der rote Teppich‹ haben. Und wir wollen von allen gelesen werden, nicht nur von Hassos Herrchen und Finas Frauchen.«
    »Nein«, sagte Frau Althoff.
    »Doch«, sagte Mattes.
    Er blickte seine Mitarbeiter an, die stumm zurückblickten. Scheiße, dachte er. Das nehmen die mir niemals ab. Die wissen ganz genau, dass eine Neuentwicklung viel zu lange dauert, um beim nächsten Heft umgesetzt werden zu können.
    Tina meldete sich zu Wort: »Also, ich find das echt cool. So mit roter Teppich und so.« Sie wandte sich erklärend an die Anderen: »Er kennt sich nicht mit Hunden und so aus, aber ich kann das gut. Mit Hunden bin ich echt gut. Die sind voll süß.«
    Wie recht sie hat, dachte Mattes. Was weiß ich von Hunden und was von der Leitung einer Redaktion? Er sah in die spöttischen Augen des Grafikers und hörte sich sagen: »Meine Erfahrungen mit Hunden und mit der Herstellung eines Magazins sind größer, als Sie vielleicht vermuten. Auch Frau Althoff weiß nicht alles über meinen Lebenslauf.«
    In diesem Moment glaubte er selber, dass er aus einem reichen Erfahrungsschatz schöpfen konnte. Immerhin stand er seit fast 20 Jahren im Berufsleben.
    Frau Althoff sagte mit Nachdruck: »Das Magazin lief bisher problemlos und brachte die Kosten wieder herein. Der Verlag wird einer Änderung nicht zustimmen.«
    »Wir fragen ihn nicht, wir machen es einfach. Wenn wir erfolgreich sind, wird er schon zustimmen. Lesen und schreiben scheinen Sie hier ja zu können und das sind schon mal gute Voraussetzungen.«
    Sein sarkastischer Unterton war selbst ihm etwas zu deutlich. Langsam und drohend, was Mattes spontan an Szenen aus alten schwarz-weißen Gangsterfilmen erinnerte, sagte Herrn Plattler: »Hier wird gar nichts geändert. Ansonsten sind Nadine und ich nicht mehr dabei.«
    Nadine guckte ihn überrascht an und biss sich auf die Lippen.
    Na super, dachte Mattes. Ich poker und die Belegschaft geht. Das Spiel habe ich verloren. Er legte bedächtig seine Papiere zusammen: »Gut. Wenn ihr hier alle nicht wollt, fährt das Schiff ohne mich weiter. Sucht euch einen neuen Kapitän!«
    Frau Althoff fragte vorsichtig: »Was haben Sie sich vorgestellt? Womit wollen Sie beginnen?«
    Mattes sah sie überrascht an und bemerkte, dass auch Herr Plattler und Frau Berger diese Wendung nicht erwartet hatten. Schlagartig kam ihm die Erkenntnis, dass auch auf der anderen Seite gespielt wurde. Es war für ihn nicht zu durchschauen, wer welches Ziel hatte, aber das plötzliche Umschwenken der Althoff zeigte, dass sie zu Kompromissen bereit war, wenn er blieb. Weiß der Himmel, warum sie mich als Chefredakteur braucht,

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