Wie immer Chefsache
draus. Aber nicht nur eine Fotostrecke, sondern auch einen informativen Artikel, ob so was sinnvoll oder vielleicht sogar schädlich ist. Außerdem werden wir an die Frage-Antwort-Rubrik gehen. Fürs erste Heft müssen wir uns die Fragen natürlich noch alle selber ausdenken. Wenn dir was dazu einfällt, lass es raus!«
Ihm fiel Astrid ein, die sich am Morgen mit den Nordic-Walking-Stöcken abgemüht hatte, und er rief spontan: »Und das Titelthema wird ›Abnehmen mit Hund‹. Alles über Joggen, Wandern und Sportarten, bei denen der Hund beim Fitnessprogramm mitmachen kann.«
»Das ist interessant«, lächelte Nadine. Mattes lächelte zurück und dachte: Ich muss mich nicht nur selber voll reinhängen, ich muss auch meine Mitarbeiter anschubsen. Ihm wurde bewusst, dass die ganze Sache eine Menge Kraft kosten würde.
Sie hatten genau drei Wochen Zeit, bis sie ein völlig neu konzipiertes, mit Fotos und Artikeln gefülltes und mit ausgesuchten Werbekunden bestücktes Magazin in die Druckerei geben mussten. Sie waren zu dritt plus einer Sekretärin, die sich um den organisatorischen Kram kümmerte, plus einer Praktikantin, die nur zum Kaffeekochen und zu dubiosen Kopieraktionen eingesetzt werden konnte. Realistisch gesehen war das nicht zu schaffen. Aber Mattes hatte noch nie auf realistische Betrachtungen Wert gelegt. Er hatte Visionen. Und eine dieser Visionen war es, dass sie mit Minimalbesetzung und in Rekordzeit ein sensationelles Magazin auf den Markt werfen würden. Peter hatte doch schon gezeigt, dass er mit unerwartet guten Ideen und Entwürfen aufwarten konnte, wenn er freie Hand bekam und motiviert war, und auch Nadine zeigte plötzlich, dass sie noch so etwas wie einen eigenen Antrieb besaß. Ganz abgesehen von Frau Althoff, die sowieso unaufhaltsam und unbeirrbar voranlief und es bei ihr nur etwas undurchsichtig blieb, ob sein Weg und ihr Weg wirklich ein gemeinsames Ziel hatten. Er war endlich Chefredakteur, und er hatte keine Lust, den Job in einem Monat wieder los zu sein, weil seine Mitarbeiter nicht im gleichen Maße wie er motiviert und von der Idee überzeugt waren. Es war seine Chance, die sich ihm unerwartet in den Weg gelegt hatte, und er würde sie, verdammt noch mal, nicht einfach liegen lassen! Aber sie hatten nicht ein halbes Jahr Zeit, um gemeinsam auf Betriebstemperatur zu kommen.
»Komm mit«, sagte er zu Nadine, die gerade aufstehen und gehen wollte, und ging vor ihr her auf den Flur. Dort hielt er die Hände wie Trichter vor seinen Mund und rief: »Hey! Alle mal herkommen!« Das war vielleicht nicht das seriöse Chefverhalten, aber es funktionierte. Peter Plattler steckte einen Kopf aus seinem Zimmer, Frau Althoff kam mit empörtem Gesichtsausdruck um die Ecke gerauscht und hinter ihr her wackelte Tina, neugierig grinsend, in der Hand einen Stapel kopierter Blätter. Mattes machte eine beschwichtigende Geste: »Tut mir leid, dass ich so auf dem Flur brülle, aber es ist wichtig. Ehe wir uns falsch verstehen: In drei Wochen müssen wir ein hammermäßig gutes Magazin in die Druckerei geben, oder wir können alle unsere Sachen packen! Das heißt, dass ab jetzt alle Energie in das neue Heft fließen muss. Die Erstausgabe muss es bringen, nicht die zweite oder dritte danach. Ich erwarte von jedem, dass er alles gibt, und ich möchte, dass wir uns ab jetzt jeden Tag zu einer festen Zeit treffen und uns austauschen, was zu machen ist, was es für neue Ideen gibt und wo es vielleicht hakt. Zusammen schaffen wir das, ich glaube fest an uns! Bis jetzt läuft alles nach Plan.«
»Ach, es gibt einen Plan?«, fragte Frau Althoff spöttisch, und es war für jeden zu hören, dass sie vielleicht an den Weih nachtsmann glaubte, aber nie im Leben an einen Plan von Mattes Reuter.
Mattes sah sie fest an: »Natürlich. Ich mache das nicht zum ersten Mal, und Sie können davon ausgehen, dass ich genau weiß, was ich tue.«
Wow. Er hatte sie einfach angelogen, und erstaunlicherweise sah sie so aus, als ob sie ihm glauben würde. Zumindest in Ansätzen. Vermutlich würde sie nachher ihre Informanten zusammenscheißen, die sie nicht vollständig über seinen Lebenslauf unterrichtet hatten. Sollte sie sich ruhig mal austoben. Ihm war es egal. Wichtig war jetzt nur, dass er sich wirklich mal einen Plan überlegte. Er war flexibel, er war geistreich, und er war allen Situationen gewachsen. Das hatte er in den fast vierzig Jahren seines Lebens immer wieder gezeigt. Warum, zum Teufel, hatte er ausgerechnet
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