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Wie immer Chefsache

Wie immer Chefsache

Titel: Wie immer Chefsache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Ruetter
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der Deutschen Bank, der andere hat irgendwelche dicken Autos, die er verleiht, und einer ist Vorstand im Golfclub.«
    Treuherzig sah sie Mattes an: »Dem Chef von der Bäckerei Günther und so ’nem Typen, der anbot, wir können in seiner Disco plakatieren, habe ich abgesagt. War das O. k.?«
    »Perfekt!«, grinste Mattes. Die kleine graue Maus überraschte ihn. Respekt. Sie war auf der richtigen Spur und schien hartnäckig zu sein. Vielleicht war es gerade von Vorteil, dass sie harmlos und unauffällig aussah und die dicken Fische ihr gar nicht zutrauten, dass sie auf der gezielten Suche nach passenden Werbekunden eine echte Schwindlerin war.
    Für ihn wurde es Zeit, an die Frage-Rubrik zu gehen. Vielleicht sollte er sich jetzt schon einschlägige Hunderatgeber im Buchhandel besorgen, ehe er an die Antworten zu komplizierten Fragen ging, überlegte er.
    Ihm fiel Tante Thea ein, die ihren Arco nicht verstanden hatte. Warum hatte sie nie kapiert, dass Arco auf ihre Handlungen reagierte und sie sich nur anders hätte verhalten müssen, um einen netten Hund zu haben? Naja, gut, sie hatte auch das Verhalten ihres Mannes nicht verstanden, aber der hatte zumindest nie mit gefletschten Zähnen unter der Küchenbank gesessen und sie bedroht. Mattes musste lachen, als er sich seinen Unterhemd tragenden Onkel geifernd unter der Bank vorstellte. Mit Arco dagegen führte Tante Thea offene Machtkämpfe. Sie wusste, dass er ausrastete, wenn sie ihm einen Knochen wegnehmen wollte, und trotzdem gab sie ihm immer wieder die größten Exemplare, die er besonders erbittert verteidigte.
    Als Junge hatte er danebengestanden, wenn es Tante Thea darum ging, den abgenagten Knochen von Arco zurückzuerobern. Es waren nervenaufreibende und hochspannende Kämpfe gewesen, bei denen am Ende immer Tante Thea gewann. Arco zog sich mit seinem Knochen immer auf den strategisch günstigen Platz unter der Kücheneckbank zurück. An zwei Seiten schützten ihn Wände, die beiden schmalen offenen Seiten der Eckbank waren von ihm aus überschaubar und gut zu verteidigen. Schon wenn Tante Thea zu nahe kam, knurrte er tief grollend los. Sobald sie Anstalten machte, an seinen Knochen zu gelangen, wurde er zum erbitterten Beschützer seines Eigentums. Stöhnend rückte sie die quietschenden und polternden Stühle und sogar den Tisch weg und stocherte dann mit einem Besen unter der Küchenbank herum, um an Arco vorbei an den Knochen zu kommen. Dabei knirschte sie erbittert »Du verfluchter Sauhund!«, und ließ weitere Bemerkungen los, für die Mattes in der Schule zumindest dickes Nachsitzen bekommen hätte.Während dieser Aktion knurrte Arco drohend und gab ihr zu verstehen, dass er sofort zubeißen würde, wenn er sie irgendwo erwischen würde. Ersatzweise verbiss er sich aggressiv in den Besen. Mattes hielt sich in sicherer Entfernung auf und beobachtete die sich immer wiederholende Szene mit gruseligem Schauern.
    Warum versuchte Tante Thea, mit Gewalt an den Knochen zu kommen? Wieso warf sie nicht einfach ein Stück Wurst in den Flur, schlug die Tür hinter Arco zu, wenn der dorthin gerannt war, und angelte dann in aller Ruhe den Knochen unter der Bank hervor? Seinen Vorschlag, ein Seil an den Knochen zu binden und ihn einfach wegzuziehen, wenn sie ihn wiederhaben wollte, hatte sie als Kinderkram abgewunken. Mattes musste lachen. Damals war ihm zwar schon klar gewesen, dass die Mitglieder seiner Familie alle völlig bescheuert waren, aber einen Rest von Respekt hatte er ihnen zugestanden, weil sie Erwachsene waren und damit in einer anderen, für ihn oft unverständlichen Welt lebten. Er hatte nicht gewusst, warum sie sich so blöd verhielten, aber er hatte insgeheim gehofft, dass ein Sinn hinter ihren Handlungen lag, der sich ihm später, wenn er ebenfalls erwachsen war, erschließen würde. Heute vermutete er, dass Tante Thea damals genau diese Kämpfe haben wollte. Arco lag vielleicht stellvertretend für Onkel Günther unter der Küchenbank, und endlich war mal was los in der Beziehung. Auch Machtkämpfe waren eine Form der Kommunikation. Es war Tante Thea nicht um eine friedliche Behebung der Situation gegangen, sondern um den Kampf, aus dem sie immer als Siegerin kam. Es war ihr persönlicher Triumph, den Knochen wiedererobert zu haben. Jedes Mal.
    Wenn Mattes zurückdachte, fiel ihm auf, wie spannend er al les gefunden und wie aufmerksam er es beobachtet hatte. Und nicht nur beobachtet, sondern er hatte auch versucht, Erklärungen zu finden. Schon

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