Wie immer Chefsache
damals war er sicher, dass Tante Thea die Ursache für den Stress war und dass sie Arco auf irgendeine Weise unbewusst dressiert hatte, damit er genauso wild wurde, wie sie das wollte. Dass sie ihn dann zwar »Sauhund« nannte, ihn aber trotzdem mehr liebte als jeden Menschen um sich herum. Sie hatte ihn dressiert, so wie er im Teenageralter Snoopy, dem kleinen Spitz-Mischling seiner Tante Gerlinde, kleine Kunststückchen beigebracht hatte. Es war ganz leicht gewesen. Er hatte einfache Kommandos gegeben, beim richtigen Verhalten eine kleine Belohnung hervorgezogen, und der völlig unerzogene Snoopy war plötzlich in der Lage, aufmerksam zuzuhören und auf Kommandos zu reagieren. Er tat mit sichtlicher Freude am gemeinsamen Spiel, was Mattes ihm sagte, während er sich sonst nach Belieben selbständig machte und freiheitsliebend durch die Gegend zog. Aber im Gegensatz zu Tante Thea hatte Tante Gerlinde nie das Bedürfnis gehabt, Machtkämpfe durchzuführen. Sie war ebenso freiheitsliebend wie ihr Hund und ließ ihn lachend machen. »Ach, der kommt schon zurück«, rief sie unbesorgt, wenn er mal wieder verschwunden war. Das war bei ihr allerdings nicht ganz unproblematisch, denn manchmal fuhr sie mit ihrem Mann, der Rheinschiffer war, den Fluss entlang, und sie hatten sogar einmal zwei Tage länger in Antwerpen liegen bleiben müssen, weil Snoopy im Hafen an Land gesprungen und verschwunden war.
Wahrscheinlich hatte Mattes später, als er Mina bekam, keine Probleme mit ihr bekommen, weil er so viel falsches Verhalten beobachtet hatte, dass ihm klar war, was er vermeiden musste. War es darum jetzt wirklich nötig, dass er sich irgendwelche Hundebücher zulegte, um dort Antworten für die Fragerubrik zu finden, wenn ihm selber sofort auffiel, wo das Problem liegen könnte? Vielleicht saß er nicht zufällig in einer Hunde-Redaktion, sondern im tiefen Unterbewusstsein hatte ihn etwas gedrängt. Er fand Hunde interessanter als alle anderen Tiere. Und er würde ein richtig gutes Magazin machen. Nicht nur Hochglanz im Papier, sondern auch im Inhalt. Und mit dem neuen Namen würde es anfangen. Der war entscheidend. Mattes nahm ein Blatt Papier und schrieb groß ›Hassos Herrchen – Finas Frauchen‹ drauf und strich den Namen mit kräftigen Bewegungen aus. So. Weg. Verschwunden aus dem Zeitschriftenmarkt. Die Welt war reif für das neue Magazin. Jetzt musste ihm nur noch ein guter Name einfallen.
Nach zehn Minuten gab er auf. Namen mussten spontan kommen, sonst waren sie verkrampft. Außerdem war er Finder und bekam Eingebungen, die ihm plötzlich zuflogen. Das war nicht nur lässiger und treffend im Ergebnis, das hatte auch den Vorteil, dass vorher nicht so viel Zeit mit langwierigem Überlegen draufging.
Sein Magen meldete sich, er hatte noch nicht mal gefrühstückt, und da es Zeit für eine Pause war, rief er Mina und ging los. Kurz beim Bäcker vorbei, wo es belegte Brötchen gab, und dann in den Park, wo er inzwischen seine mittägliche Standardrunde lief. Mina hatte zunächst größtes Interesse an der raschelnden Brötchentüte, gab aber auf, als sie merkte, dass sie nichts bekam und es stattdessen andere Hunde im Park gab. Schon nach kurzer Zeit stand Mattes mit zwei weiteren Menschen auf dem Weg, und sie sahen ihren spielenden Hunden zu. Wie immer gab es sofort Geschichten über die Hunde zu hören, und Mattes erfuhr, dass Carlos, wenn er einen Augenblick unbeaufsichtigt war, gerne Wurstscheiben vom Tisch klaute und danach mit ganz süßem unschuldigen Gesichtsausdruck auf seiner Decke lag, als ob nichts geschehen wäre, und dass der kleine Benni alle Leute, außer dem Opa, in die Wohnung lassen würde. Den Opa knurre er leider so heftig an, dass alle Sorge hatten, er würde mal zubeißen, und darum würden Familientreffen jetzt ohne Opa oder ohne Benni stattfinden. Mattes fiel sofort die Fragerubrik ein. Das waren doch schon zwei Themen, die passen würden.
»Macht ihr irgendwas dagegen, dass Carlos Wurst klaut und dass Benni den Opa anknurrt, oder lebt ihr gut damit?«, fragte er freundlich.
Carlos Halterin guckte ihn an, als wäre sie nie auf den Gedanken gekommen, etwa zu ändern.
»Nö«, sagte sie dann. »Ist doch ganz süß, wenn er dann auf seiner Decke liegt und so unschuldig tut.«
Bennis Frauchen zögerte etwas und gab dann zu: »Es ist schon nervig, und der Opa tut mir leid, aber sonst ist der Benni immer ganz lieb. Eigentlich mag der alle Leute.«
Mattes fragte: »Noch nie auf den Gedanken
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