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Wie immer Chefsache

Wie immer Chefsache

Titel: Wie immer Chefsache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Ruetter
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bringe ich meine Fotos mit, und wir beide können vielleicht …«, sie machte eine kunstvolle Pause, blickte ihm wieder tief in die Augen und gurrte: » … eine Kleinigkeit essen gehen.« Dabei strahlte sie ihn so intensiv an, dass er fast Mühe hatte, sich ihre vorher so arrogante Art ins Gedächtnis zu rufen. Er lächelte ihr zu. »Am besten wenden Sie sich mit allem an Pieter Plättler, der ist unser Fotograf. Allerdings ist es schwer, ihn zu erreichen, denn er ist natürlich immer unterwegs. New York, Tokio, Paris. Aber ich gebe Ihnen einen Tipp: Gehen Sie zu einem Suizeed-Konzert, da treffen Sie ihn bestimmt.« Ihre Augen blitzten, und Mattes konnte ihr Gehirn rattern sehen. Sie witterte ihre Chance. Ein Titelbild-Fotograf war für Karrieresprünge nicht schlechter als ein Chefredakteur, und Mattes sah Peter Plattler vor sich. Die Vorstellung, dass diese »Bitte-bitte-bitte-entdecke-mich-Tussi« sich schmachtend vor Pieter Plättler hockte, und dieser an nichts anderes denken konnte als an seine nächste selbst gedrehte Zigarette, ließ ihn innerlich vor Lachen erbeben.
    Er holte seine Jacke aus der Garderobe und begab sich zum Ausgang. Diesmal alleine, denn er war pünktlich bis zur Sendung geleitet worden, hatte seinen Auftritt gehabt und damit war seine Aufgabe erfüllt. Noch auf dem Gang wurde er von einer aufgeregten Frau angesprochen, die gerade aus einem der Büros kam: »Wir haben schon über 200 Anrufe und E-Mails bekommen.«
    »Ach ja?«, sagte Mattes zögernd. Warum sollte ein Sender keine Anrufe und E-Mails bekommen?
    »In der letzten Viertelstunde, nur wegen Ihnen und dem neuen Magazin!«, stieß die Frau heftig aus, als sie merkte, dass ihn die Angaben nicht beeindruckten.
    »Wegen mir?«
    »Ja, wir drehen hier gleich durch! Wir sitzen schon zu viert an den Telefonen und kommen kaum hinterher.«
    »Sind 200 Anrufe und E-Mails viel?«, fragte Mattes verwundert.
    Sie starrte ihn ungläubig an: »Viel? Das ist unglaublich. Sie sind doch gerade erst auf Sendung gewesen. Solche Reaktionen hatten wir das letzte Mal, als Dieter Bohlen hier blöde Sprüche über Frauen abgelassen hat. Die meisten wollen wissen, wo sie das Hundemagazin bekommen können. Und vier haben über Ihre Frisur gemeckert.«
    »Das werden noch mehr«, tröstete Mattes und sah ihr nach, wie sie eilig in das nächste Büro lief. Schien nicht schlecht anzulaufen. 200 Anfragen wegen des Magazins. Und das in den ersten 15 Minuten. Er konnte das alles kaum fassen. Solch eine Resonanz hatte er sich in den kühnsten Träumen nicht ausgemalt. Die schienen alle begeistert von dem neuen Magazin und seiner überzeugenden Art zu sein.
    Aufgekratzt fuhr er nach Hause. Das zufriedene Lächeln war nicht aus dem Gesicht zu bekommen. Er hatte mit seinem Fernsehdebüt einen Treffer gelandet und alles andere war ihm momentan völlig egal. Völlig egal – bei diesem Gedanken musste er breit grinsen, denn er dachte an einen Winterabend vor vielen Jahren, an dem sich im Haus von Tante Thea Unglaubliches abgespielt hatte. Es war in der Vorweihnachtszeit, in der sie traditionell Plätzchen backte. Tagelang war sie damit beschäftigt, verschiedene Teige zu kneten, sie auszurollen und mit kleinen Metallformen Kekse in den unterschiedlichsten Formen und Größen auszustechen. Blech für Blech wurde in den Ofen geschoben, und es roch im ganzen Haus nach Plätzchen. Aber Tante Thea backte, im Gegensatz zu den anderen Hausfrauen des Viertels, keine Plätzchen für ihre Familie, sondern für Tiere. Sie war vermutlich die legitime Erfinderin des tierischen Weihnachtsgebäckes und beglückte damit Arco, die Hunde ihrer Freundinnen, streunende Katzen, ihren Wellensittich Jokki und alle Vögel, die zur Winterfütterung auf ihren Balkon kamen. Gegen Ende ihres Backwahns konnte es passieren, dass alle gut verschließbaren Dosen und die zum Verschenken vorbereiteten Zellophantütchen voll waren und die Reste von Mehl, Eiern und Nüssen zu nachlässig ausgestochenen Keksen für Onkel Günther und die Jungen verarbei tet wurden und somit den Weg ins Wohnzimmer fanden. Es war nicht so, dass Tante Thea spezielle Rezepte hatte, die auf die Bedürfnisse der Tiere zugeschnitten waren, nein, für sie gehörten in die richtig guten Plätzchen viel Butter und vor allem viel Zucker. Und man konnte nicht behaupten, dass ihre Plätzchen von den Beschenkten mäkelig angesehen und verschmäht wurden. Was alleine Arco in den Wochen vor Weihnachten verschlang, reichte, um seinen

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