Wie immer Chefsache
einen ersten Überblick zu beschaffen, las sich aber schnell fest. Neben völlig nebensächlichen Sachen und vielen witzigen Vorkommnissen gab es eine Reihe von wirklich schwierigen Situationen. Der Border Collie, der die Kinder im Garten nicht mehr spielen ließ und in einer Ecke zusammentrieb, oder der Schnauzer, der das Essen vom Tisch holte und die Halterin biss, wenn sie ihn daran hindern wollte. Die Antwort zu »Ich hätt’ da mal ’ne Frage …« konnte in vielen Fällen nicht kurz und schnell »Ich hätt da mal ’ne Antwort« sein, wenn sie seriös und nicht nur oberflächlich sein sollten. »Da wirst du viel Zeit brauchen, Mina«, stellte Mattes fest und begann die Zettel auf verschiedene Stapel zu sortieren. Sein Handy klingelte.
»Ja?«
»Guten Morgen, Herr Reuter. Ich bin Barbara, die Managerin von Melanie Berkle, und wir möchten uns gerne das nächste Titelbild auf Ihrem Magazin zusichern lassen.«
»Melanie Berkle?«, fragte Mattes verwundert und kramte in seinem Kopf, wo er diesen Namen schon gehört hatte.
»›Küsse in Afrika oder geh, wohin du willst‹«, sagte die weibliche Stimme am anderen Ende. Oh je, dachte Mattes, da hat aber einer eine ganz gewaltige Schraube locker.
»Tut mir leid«, sagte er und die Frau am anderen Ende, die merkte, dass bei ihm nichts ankam, sang vor: »Küsse in Afrikaaaaaa, unter den Sternen, shalala.«
In Mattes’ Hirn gab es erste Anzeichen des Erkennens. Das war irgendein schrottiger Schlager, den er mal vernommen hatte, als er nicht schnell genug das Radio umschalten konnte.
Die Stimme sagte: »Im letzten Jahr Platz 3 in den deutschen Charts. Und momentan ganz aktuell in allen Radiostationen …« Wieder sang sie los, diesmal im Mitklatschrhythmus: »Geh, wohin du willst, aber mit mir, mein Schatz. Denn für dich und mich …«
Mit gequältem Gesichtsausdruck unterbrach Mattes: »Sagen Sie mal, ist das völkerrechtlich in Ordnung, dass Sie mir so was am frühen Morgen ins Ohr singen?« Melanie Berkle war ein Schlagersternchen, jetzt erinnerte er sich.
Die Frau am anderen Ende lachte: »Tut mir leid, ich bin ja nicht Melanie, die kann das besser. Wir haben gestern Ihr Magazin in der Talkshow von Saskia Hoffmann gesehen und da ist ja die Saskia auf dem Titelbild. Saskia und Melanie sind beste Freundinnen, und Saskia hat uns Ihre Handynummer gegeben, denn wir möchten Melanie auf dem nächsten Titelbild haben.«
Oh, das erste Magazin noch nicht am Kiosk und schon die Anwärter für das nächste Titelbild am Telefon. Aber Melanie Berkle? Fürs nächste Heft hatte er sich dann doch eher die Prominentenklasse von Veronica Ferres vorgestellt. Realistisch bleiben, ermahnte er sich. Vielleicht sind wir in drei Wochen froh, wenn wir überhaupt jemanden haben, also ganz diplomatisch vorgehen!
Vorsichtig antwortete er: »Es sind schon mehrere Titel-Anwärter im Gespräch. Es käme darauf an, ob wir aus Melanie Berkle und ihrem Hund ein Titelthema machen können.«
»Melanie hat keinen Hund.«
Mattes lehnte sich überrascht zurück: »Was will sie dann auf einem Hundemagazin?«
»Sie will ja nicht über Hunde reden, sondern ihre CD verkaufen, da reicht es, wenn sie vorne auf dem Titel ist und drinnen was über sie steht. Wenn es hilft, kann sie sich ja einen Hund ausleihen«, erklärte die Frau geduldig.
Mattes lachte auf: »Ausgeliehene Hunde kommen nicht auf den Titel. Aber ich mach ihr einen Vorschlag: Sie kann ein Lied über Hunde singen, und wenn das auf allen Sendern läuft, dann können wir eventuell über einen kleinen Artikel reden. Aber nur, wenn es wirklich gut ist.«
»Das geht nicht«, reagierte die Frau unwillig. »Außerdem ist das dann zu spät. Kommen Sie! Wenn Saskia Hoffmann drauf kann, kann Melanie das auch.« Ihre Stimme verlor den netten Klang und wurde drohend: »Hinter uns steht ein Riesenpublikum, das Sie nicht unterschätzen sollten. Wir haben viele Beziehungen in der Branche, die bis zu den Werbekunden reichen. Das sollten Sie nicht leichtfertig ablehnen.«
Mattes verdrehte die Augen. So sollte sie ihm lieber nicht kommen. Wenn er es richtig verstand, und ein Irrtum war kaum möglich, drohte sie ihm gerade Unannehmlichkeiten an, falls er ihrer Melanie Berkle nicht die Titelstory geben würde. »Es tut mir Leid, aber wir bringen in einem Hundemagazin grundsätzlich nur Storys, die einen deutlichen Bezug zu Hunden haben. Da hilft Ihnen nicht, dass Millionen von Schlagerfreunden hinter Ihnen stehen. Es geht alleine um Hunde. Auf
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