Wie immer Chefsache
gerade, das aktuelle Gesprächsthema zu erfassen, da steckte eine sehr aufgestylte junge Frau den Kopf ins Zimmer und forderte ihn knapp auf, ihr zu folgen. O. k. Jetzt musste er sich nur ganz souverän verhalten und alles um ihn herum genau beobachten, dann würde er schon mitbekommen, was verlangt war.
»Sind Sie Carolin?«, fragte er, als er ihr folgte, während sie in klappernden High Heels über den Flur lief.
»Ja«, bestätigte sie und blickte sich mit arrogantem Gesichtsausdruck fragend um, als ob sie eine weitere Frage erwarten würde. Als keine kam, zuckte sie mit den Schultern und schritt weiter. Die findet mich total uninteressant, dachte Mattes und versuchte das witzig zu finden. Er fand es aber ziemlich blöd. Warum behandelte sie ihn so herablassend? Die war ja gerade mal knapp über zwanzig und vermutlich eine kleine Praktikantin. Und er war der Leiter einer Redaktion! Wusste sie das nicht? Solange sie auch noch in diesem Tempo vor ihm herlief, kriegte sie nicht mal mit, wie souverän und lässig er hinter ihr herging. Jede Faser ein Chef. Ob sie ihn nicht doch zu Britt brachte? Hier kommt unser nächster Gast zum Thema »Perverse in Hundekostümen«.
An einer Tür hielt sie, drehte sie sich kurz um, sagte: »Hier rein!«, lächelte geschäftsmäßig emotionslos und ging klappernd weiter. Völlig unbeeindruckt von ihm. Hätte sie Robbie Williams ebenfalls so behandelt? Nein, den hätte sie vermutlich charmant, mit überbordender Begeisterung und echter Sorge um sein Wohlergehen bis ins Studio hineinbegleitet. Blöde Kuh. Es ging ja nicht mal um ihn privat, aber wenn er es nicht mal schaffte, die Aufmerksamkeit einer kleinen Praktikantin zu erlangen, wie wollte er dann bei einem Millionenpublikum Eindruck machen?
Er öffnete vorsichtig die Tür, und auf einmal ging alles ganz schnell. Die Regieassistentin blickte auf eine Liste, hakte etwas ab und sagte in den Raum hinein: »In vier Minuten ist er dran«, der Regisseur rief von der anderen Seite: »Ist das der Hundetyp und hat er die Zeitung dabei?«, woraufhin sie auf seine Hand blickte, in der er das Magazin hielt, und bestätigte: »Ja, alles da.« Ohne Vorwarnung bekam er von einem jungen Mädchen die Nase und die Stirn abgepudert, gleichzeitig wurde ihm ein kleines Mikrofon an den Halsausschnitt geklemmt, und eine Hand, von der er hoffte, dass sie weiblich war, griff von hinten unter sein Hemd und zog ein Kabel an seinem Rücken entlang. Irgendjemand stopfte ihm einen Sender in die hintere Hosentasche, und die Dame, die ihn vorher gepudert hatte, versuchte jetzt seine Haare zu ordnen. Durch eine Glasscheibe konnte er ins Studio blicken, in dem Saskia Hoffmann gerade lächelnd in eine Kamera sprach. Im Studio verteilt standen eine Menge von Leuten, die anscheinend alle wichtig waren. Auf einmal wurde die Studiotür geöffnet, er bekam einen leichten Schlag auf die Schulter, hörte ein geflüstertes »Los geht’s!« und wurde ins Studio gedrängt. War er jetzt schon auf Sendung? Live geschaltet auf jeden Fernseher? Dann sollte er lieber lächeln und nicht so blöd fragend gucken. Saskia Hoffmann ging ihm hastig entgegen und begrüßte ihn halblaut, was ihn vermuten ließ, dass die Szene nicht auf die Bildschirme ging. Vermutlich war Werbepause, und die Zuschauer vor den Fernsehern bekamen von den Vorzügen eines Geschirrspülmittels erzählt. Die Regieassistentin griff hektisch an seinen Ärmel und bugsierte ihn zu einem Sessel, während eine Maskenbildnerin an Saskia Hoffmanns Haaren zippelte und die neu erschaffene Lebendigkeit mit Haarspray fixierte. »Zwanzig!«, rief eine laute Stimme, die Moderatorin lief zu dem neben ihm stehenden Sessel, jemand kam, zupfte an ihren Blusenärmeln, um die Falten zu vermindern, sprang weg, und Saskia Hoffmann bekam ein strahlendes Lächeln, blickte gut gelaunt in eine der Kameras, die plötzlich ein rotes Licht über dem Objektiv hatte, und es ging los.
»Ein neues Magazin sitzt in den Startlöchern, um die Welt der Hundefans zu erobern. Es heißt ›doggies live‹, und ich habe heute den Chefredakteur Mattes Reuter zu Gast«, begrüßte ihn Saskia Hoffmann und wandte ihm ihr Gesicht zu. Eine Kamera wurde in Kopfhöhe vor ihnen vorbeigerollt, und Mattes wusste nicht, ob er zur Moderatorin oder auf die rollende Kamera blicken sollte. Gerade als er sich für die rollende Kamera entschieden hatte, ging dort das rote Licht aus und an der Kamera rechts von ihm an. Neben sich hörte er Saskia Hoffmann sagen:
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