Wie immer Chefsache
Kamera, die jetzt wieder das Rotlicht hatte, hielt an und zoomte darauf zu. Hinten an der Wand stand die andere Kamera, und ihr rot angelaufener und nur gestisch fluchender Kameramann schien überhaupt nicht begeistert zu sein, sie jetzt wieder nach vorne rollen zu müssen. Die Kameraassistentin machte ruhige Handbewegungen von oben nach unten, die sogar Mattes verstand: Unbedingt sitzen bleiben!, hießen die. Aus der Regiekabine winkte ungeduldig der Regisseur, der die nach hinten gedrängte Kamera schnellstmöglich wieder auf ihrer alten Position haben wollte.
Mattes war gut gelaunt. War ganz schön hier. Vor allem, wenn man als Gast der Sendung machen konnte, was man wollte. Die würden ihn nicht einfach kommentarlos aus dem Bild laufen lassen. Neben ihm hielt die Moderatorin weiterhin das Magazin hoch und redete in die Kamera, und daneben hielt eine Frau ein Schild mit 1:00 hoch, was er als restliche Sendezeit für seinen Besuch deutete.
»Das ist das neue Magazin«, sagte Saskia Hoffmann gerade und schien vor Stolz fast zu platzen. Sie wirkte gerührt, und ihre Stimme hörte sich weich an, als sie sagte. »Das Foto habe ich eben auch zum ersten Mal gesehen. Ich bin überrascht, wie stimmungsvoll es geworden ist. Es ist von einem richtig berühmten Fotografen gemacht worden, der gerade aus New York kam. Wie heißt er noch mal?« Fragend wandte sie sich an Mattes.
»Pieter Plättler«, sagte der lässig und sprach den Namen amerikanisch aus. Da würden sich die Zuschauer jetzt die Finger wundgoogeln und nichts finden. Die Assistentin winkte schon wieder hektisch, und Saskia Hoffmann verabschiedete ihn mit strahlendem Gesicht und herzlichem Lächeln. Sie wandte sich an die Kamera: »Wenn Sie Fragen zum Umgang mit Ihrem Hund haben, schreiben Sie uns, wir leiten alle Anfragen an die Expertin bei ›doggies live‹ weiter.« Schnell kündigte sie einen Filmbericht über die Neueröffnung eines Stralsunder Luxushotels an, lächelte starr und wartete, bis das Rotlicht erlosch.
Sofort kam Leben in die Bude. »Drei Minuten!«, rief eine Stimme laut, die Regieassistentin eilte auf Mattes zu, um ihn aus dem Studio zu bringen, und Saskia Hoffmann rief: »Hat doch gut geklappt. Danke, dass Sie da waren. Das Titelbild ist wunderschön geworden.« Die Maskenbildnerin eilte mit gezücktem Puderpinsel auf sie zu, und von der Seite rempelte ihn der rotgesichtige Kameramann an und zischte ihm im Vorbeigehen »Arschloch!« zu. Mattes lachte auf und rief ihm gut gelaunt zu: »Das war ja mal eine Kamerafahrt!«
Der Regisseur hatte die Hemdärmel hochgekrempelt und sah verschwitzt aus.
»Machen Sie das immer so, wenn Sie in einem Studio sind?«
»Aufstehen und rumlaufen?«, fragte Mattes und nickte sofort: »Ja, in den Staaten ist das üblich, da habe ich mir das angewöhnt. Hat es Sie überfordert?«
»Nein, das nicht«, sagte der Regisseur schnell und guckte dabei hart. »In Deutschland sollten Sie das aber nur machen, wenn es angekündigt wurde. Wir haben hier unsere Ablaufpläne, die eingehalten werden müssen.«
»Bisher hatte noch kein deutscher Sender Probleme mit mir«, erklärte Mattes treuherzig und blieb damit vollkommen bei der Wahrheit. Die Kameraassistentin schob ihn schnell vor die Tür, wo Carolin schon auf ihn wartete.
Ihr Blick war nun deutlich aufgeschlossener, wenn nicht zu sagen hochinteressiert. »Fertig?«, strahlte sie ihn an. »Dann bringe ich Sie in die Garderobe zurück.« Kaum waren sie drei Schritte gegangen, strahlte sie ihn gewinnend an: »Sie sind Chefredakteur? Ich mag Hunde übrigens total gerne. Vielleicht hol ich mir bald einen.« Ihre High Heels klapperten wieder über den Linoleumboden. »Wenn Sie mal jemanden für Fotos in Ihrem Heft brauchen, ich mache das öfter. Ich kann Ihnen meine Setkarten schicken. Am besten gebe ich Ihnen mein Kärtchen gleich mit, dann können Sie anrufen, wenn Sie mich brauchen.« Sie reichte ihm eine Visitenkarte, die sie die ganze Zeit in der Hand gehalten haben musste, und guckte ihm tief und sehr intensiv in die Augen. Gleich bietet sie mir an, mit ihr essen zu gehen, dachte Mattes fasziniert und erschrocken zugleich. Oder mehr. Himmel, was war geschehen? Dass er Chefredakteur war, brachte sie auf einmal dazu, sich an ihn ranzuwerfen. Einmal im Fernsehen und sofort hatte er die Hammerfrauen an den Fersen. Nicht übel.
»Ich habe in der nächsten Woche zwei freie Tage, da kann ich doch einfach mal bei Ihnen vorbeikommen«, hörte er Carolin sagen. »Dann
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