Wie Inseln im Strom
aufzuhören, mussten sie mich in eine Zwangsjacke stecken.”
“Na, da unterscheiden wir uns eben.”
“Fünfzig Dollar.” Er hielt ihr die Hand hin, aber sie schlug nicht ein. “Also gut, hundert.”
Vom anderen Ende des Parkplatzes näherte sich ein großer Mann in einem teuren Anzug. Er kam direkt auf sie zu – vermutlich ein Anwalt, der eine einträgliche Schadensersatzklage witterte.
Gwen kniff die Augen zusammen und ergriff Rourkes Hand. Sie konnte es sich nicht leisen, hundert Dollar zu verlieren. Aber sie konnte sich erst recht nicht leisten, das Gesicht zu verlieren. “Abgemacht. Ich weiß zwar nicht, wie wir es überprüfen sollen, aber die Wette gilt.”
Der andere Mann war inzwischen so nahe, dass Gwen sehen konnte, dass er kein Anwalt war. Jedenfalls keiner, der sich seine Mandanten auf der Straße suchte. Höchstens einer, der eine Rolex trug und Zigarren rauchte. Ihr war es egal, sie hasste beide Sorten.
“Meine Güte, Travis, keine Stunde in der Stadt, und schon belästigst du Leute auf dem Parkplatz?” Lächelnd wandte der Neuankömmling sich Gwen zu. Falls er doch ein Anwalt war, würde sie vielleicht ihre Meinung über diesen Berufsstand ändern müssen. “Sie müssen Travis entschuldigen”, fuhr er fort und legte die Hand auf die Schulter des Sportwagenfahrers. “Er hat sechs Schwestern, die ihn vergöttern, deshalb hält er sich für unwiderstehlich.”
Gwen betrachtete die beiden Männer. Sie waren also befreundet. Travis Rourke war süß, aber auf den anderen traf dieses Wort nicht zu. Auf den traf überhaupt kein Wort zu. Eher ein Laut. Etwas Animalisches vielleicht.
Sie schenkte ihm ihr reizvollstes Lächeln und hoffte, dass es Travis nicht entging.
“Hi”, begrüßte sie ihn. “Ich bin Gwen Morgan.”
“Aha.” Er zog die Augenbrauen hoch. “Irgendwie kamen Sie mir gleich bekannt vor. Ihr Profil jedenfalls”, fügte er mit einem zuckenden Mundwinkel hinzu.
Also war er gestern Abend im Reitstall gewesen, als Teddy und sie … Entsetzt fühlte sie, wie sie errötete. Sie schämte sich nicht für ihren Auftritt. Der blasierte Haufen hatte es nicht besser verdient. Aber irgendwie hatte Lacy es offenbar mal wieder geschafft, ihren rebellischen Akt wie eine alberne und unreife Kinderei aussehen zu lassen.
Gwen atmete tief durch, streckte sich und legte beide Hände ins Kreuz. Das war eine Haltung, die keinen Zweifel daran ließ, wie reif ihre Figur war.
“Oh, Sie waren bei der Versteigerung? Seltsam. Sie sehen gar nicht aus wie jemand, der auf überteuerte kitschige Babybilder steht”, sagte sie.
Er schmunzelte. “Nun ja, ich habe gleich drei davon gekauft.”
“Entschuldigung. Hatten Sie zu viel getrunken?”
“Babybilder?” Travis wirkte vollkommen entgeistert. Gwen fragte sich, ob es daran lag, dass seine Freund ihm die Show gestohlen hatte, oder daran, dass er Babybilder wirklich nicht mochte. “Du investierst jetzt in Kunst, Adam? Ich dachte, wir sind hier, um Immobilien zu kaufen.”
Sein Freund ignorierte ihn. “Ich bin Adam Kendall”, sagte er zu Gwen und schenkte ihr erneut sein atemberaubendes Lächeln. “Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Ihre Stiefmutter und ich sind … alte Freunde.”
Alte Freunde? Was für eine durchsichtige Umschreibung, dachte sie.
Also war die Stiefhexe nicht immer aus Eis gewesen? Das war eine interessante Information, die sich eines Tages als nützlich erweisen konnte.
Vielleicht sogar jetzt schon. Sie hatte sich nicht entscheiden können, welchen dieser beiden großartig aussehenden Männer sie zu ihrer nächsten Eroberung machen sollte, und auf irgendein Zeichen gewartet. Und hier war es. Langsam rieb sie mit den Daumen über den Lenker des Motorrads und befeuchtete sich die Lippen. Ein ‘alter Freund’ von Lacy. Mehr Glück konnte ein Mädchen nicht haben.
“Nun, in dem Fall, Mr. Kendall”, sagte sie und klopfte auf den Ledersitz hinter ihr. “Steigen Sie auf.”
4. KAPITEL
L acys Gäste gingen um halb elf, und obwohl sie erschöpft war, zwang sie sich, die Cognacschwenker zu spülen. Sie ging nie ins Bett, wenn in der Küche auch nur ein einziger benutzter Löffel herumlag – Malcolm hätte das nicht geduldet, und nach all den Jahren war es ihr zu einer angenehmen Gewohnheit geworden. Und sie würde sich auch heute daran halten, und wenn sie sich noch so sehr nach ihrem Bett sehnte. Adam Kendall würde es nicht schaffen, außer ihrem Seelenleben auch noch ihren Tagesablauf durcheinanderzubringen.
Es
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