Wie Inseln im Strom
Kopf. “Nein, danke.”
“Cognac? Oder … Ich glaube, vom Abendessen ist noch Obst übrig.”
“Auch nicht, danke.” Sein Lächeln wurde breiter, bis an seiner Wange ein Grübchen erschien. “Entspann dich, Lacy. Du brauchst mich nicht zu bewirten. Ich bin sicher, dass du eine perfekte Gastgeberin bist.”
“So?”
“Ja. Offenbar genießt du auf der Insel einen legendären Ruf. Seit ich in der Stadt bin, erzählt man mir andauernd Geschichten über die elegante Mrs. Malcolm Morgan.”
Der neue, nie gehörte Unterton in seiner Stimme verwirrte sie. Nervös strich sie über den Hals einer Flasche. Das war etwas, das sie nur selten tat, denn Malcolm hatte ihr Fingerabdrücke auf dem Glas strikt verboten.
Aber seit sie nach oben gegangen war, hatte sich die Atmosphäre irgendwie verändert. Vorhin war Adam … nun ja, nicht gerade freundlich, aber immerhin höflich gewesen. Jetzt blickten seine schönen blauen Augen kühl, und er klang förmlich. Und sie ahnte, dass er sie nur dann Mrs. Morgan nannte, wenn ihm etwas nicht gefiel.
“Das ist zwar sehr schmeichelhaft, aber maßlos übertrieben.”
“Sei nicht so bescheiden”, entgegnete Adam. “Du solltest stolz darauf sein. Jeder, dem ich hier begegne, singt ein Loblied auf dich. Wie ich höre, bist du eine hervorragende Köchin, eine tadellose Hausfrau und eine charmante Gastgeberin. Und natürlich eine gehorsame und fürsorgliche Partnerin. Kurz gesagt, die ideale Ehefrau für einen viel beschäftigten Millionär.”
Ihr Atem ging schneller, als wäre jede Eigenschaft in seiner Aufzählung ein Angriff gewesen, den sie parieren musste. “Adam …”
“Nein, es ist wahr. Das habe ich in den letzten zwei Tagen mindestens ein Dutzend Mal gehört. Glücklicher Malcolm, sagen sie alle. Für einen Mann wie ihn war sie die ideale Ehefrau.”
“Ich …”
Adam unterbrach sie mit einer knappen Handbewegung, die dem Gemälde galt, das ihm gegenüber an der Wand hing. Es zeigte Lacy und Morgan. “Ja. Ideal. Das Bild dort ist der Beweis, nicht wahr? Wie selbstzufrieden dein verstorbener Mann darauf wirkt. Er sieht aus wie eine Katze, die den Kanarienvogel gefressen hat, findest du nicht? Und was für ein hübscher Kanarienvogel du bist.”
Lacy schloss kurz die Augen.
Kein Wunder, dass Adams Laune sich verschlechtert hatte. Es war ein riesiges, protziges und unnatürliches Porträt. Der Maler hatte seinen Auftraggeber genau verstanden – und Malcolms Vorstellung bis ins kleinste Detail auf die Leinwand gebannt. Lacy war damals gerade mal neunzehn gewesen. Sie trug ein gelbes Kleid und saß mit züchtig gefalteten Händen auf einem Stuhl. Malcolm stand neben ihr und hatte eine Hand auf ihre Schulter gelegt, als wäre sie ein abgerichtetes Haustier, das auf jeden stummen Wink reagierte.
Abgesehen von der Hand auf ihrer Schulter schien sie für Malcolm gar nicht zu existieren. Sein selbstgefälliges Lächeln war nach vorn gerichtet. Lacys Gesicht wurde im Profil gezeigt, sie schaute zu ihrem Mann auf, als wäre er geradezu anbetungswürdig. So hatte sie ihn in Wirklichkeit nie angesehen.
Malcolm hatte das Bild über alles geliebt. Er hatte es gegenüber seinem goldenen Sessel aufgehängt, damit er es so oft wie möglich bewundern konnte. Und offenbar hatte Adam die letzten zwanzig Minuten damit verbracht, es anzustarren.
Oh nein … Warum hatte sie es nicht abgenommen? So oft hatte sie sich dazu durchgerungen – und dann doch nicht den Mut aufgebracht. Seit zehn Jahren hing es dort. Jeder, der im Haus zu Gast war, ob vor oder nach Malcolms Tod, lobte es und meinte, Lacy könne sich glücklich schätzen, es zu besitzen. Hätte sie den verdammten Ölschinken abgehängt, wäre das wie ein Lauffeuer durch die feine Gesellschaft von Pringle Island gegangen.
Langsam schüttelte Adam den Kopf. “Der Herr des Hauses”, sagte er leise. “Und seine perfekte Gattin.”
Die letzten beiden Worte sprach er aus, als wären sie ein Schimpfwort – als würde er sie dafür verachten, dass sie geheiratet hatte, um Sicherheit und Ansehen zu erlangen.
Aber … hatte sie denn eine andere Wahl gehabt? Adam war nicht bei ihr geblieben, hatte sie nicht heiraten wollen. Er hatte nicht einmal abgewartet, ob sie …
Malcolm hatte es getan. Wenigstens dafür hatte sie ihm Dankbarkeit geschuldet.
Und dafür würde sie sich jetzt nicht rechtfertigen. So kühl wie möglich sah sie Adam an.
“Ich war nicht perfekt”, sagte sie sanft. “Aber ich habe mir die größte Mühe
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