Wie Inseln im Strom
öffnen.”
Sie sah ihm nicht ins Gesicht, aber beim Hinausgehen entging ihr nicht, dass er lächelte. Wie über einen halbwegs lustigen Auftritt.
Warum begriff er nicht, dass ihre eisige Fassade nicht gespielt, sondern im Laufe der Jahre zu ihrer zweiten Haut geworden war? Sie gab sich nicht gefühllos, sie war es.
Sie öffnete die Haustür. “Gwen, was für eine angenehme Überraschung.”
Gwen lachte. Offenbar findet mich heute Abend jeder amüsant, dachte Lacy, während sie ihre hämisch grinsende Stieftochter einließ.
“Ja, ganz bestimmt.” Gwen zog eine prall gefüllte Reisetasche hinter sich her. Der blaue Make-up-Koffer hing ihr über der Schulter und schlug bei jedem Schritt gegen den Po. Edle Flakons und teurer Schmuck klirrten dabei.
Als Gwen ins Licht des Foyers trat, sah Lacy, dass sie eins ihrer wildesten Outfits trug – ein Top mit pinkfarbenen und orangeroten Blüten über türkisfarbenen Shorts. Die zerzausten Locken waren mit einem grünen Seidenschal zurückgebunden, und die langen künstlichen Fingernägel passten zum Lippenstift – beide flamingorosa.
Lacy war sicher, dass diese Farborgie Gwen mindestens tausend Dollar gekostet hatte. Kein Wunder, dass sie lieber nach Hause kam, anstatt ein Hotelzimmer zu nehmen.
“Für mich ist es auch eine Überraschung”, verkündete Gwen keuchend. “Ich bin im Cartwright abgestiegen, aber meine Kreditkarte streikte, also haben sie mich mehr oder weniger freundlich gebeten auszuziehen.”
Lacy schaffte es, nicht das Gesicht zu verziehen. “Gwen, lass die Tasche hier. Ich helfe dir später, sie nach oben zu tragen. Erst einmal möchte ich dich mit einem alten Freund von mir bekannt machen …”
Ihre Stieftochter richtete sich auf und sah neugierig zur Bibliothek hinüber. Dass der Gast ihre finanziellen Nöte mitbekommen hatte, schien ihr kein bisschen peinlich zu sein. Im Gegenteil, sie lächelte Adam zu, der im Durchgang stand und eins von Malcolms Buddelschiffen in der Hand hielt.
“Na, wenn das nicht der gut aussehende Anwalt ist.”
Lacy war verwirrt. Anwalt? “Nein, Gwen, das ist Adam Kendall …”
“Oh, Mr. Kendall und ich sind uns bereits begegnet”, unterbrach Gwen sie. “Wie sieht’s aus, Adam? Meine Maschine wartet.”
“Ich glaube, ich lasse Ihnen noch ein paar Tage Zeit, um das Biest zu zähmen.”
“Schade.” Gwen zog den grünen Schal aus dem Haar. “Sie ist aufgewärmt und bereit, wenn Sie wissen, was ich meine.”
Lacy runzelte die Stirn. Was um alles in der Welt ging hier vor? “Gwen”, begann sie.
“Deine Stieftochter und ich sind uns heute Nachmittag auf dem Parkplatz des Cartwrights begegnet”, erklärte Adam rasch. “Sie hatte gerade mit ihrem Motorrad den Sportwagen meines Freundes gerammt und befürchtete, ich wäre ein Anwalt, der ihr jeden Cent nehmen will.”
Lachend hob Gwen ihr Haar, entblößte kurz den langen anmutigen Hals und ließ es auf die Schultern fallen. “Im Moment sind das nicht sehr viele Cents”, sagte sie trocken.
Gwen hatte ein Motorrad gekauft? Und einen Wagen gestreift? Das erklärte manches. Die Art, wie sie Adam anstrahlte, bedurfte keiner Erklärung. Gwen flirtete mit jedem Mann, der ihr über den Weg lief – angefangen mit dem armen Teddy Kilgore.
Was Lacy allerdings nicht verstand, war ihre Reaktion darauf, dass Adam zurückflirtete. Sie begehrte ihn nicht. Sie kannte ihn nicht einmal mehr. Und was sie an ihm kannte, gefiel ihr gar nicht. Er war arrogant, zu durchgestylt, zu selbstsicher – zu sehr der typische Selfmademan.
“Was ist?”, fragte Gwen noch immer lächelnd. “Störe ich etwa?” Sie sah Adam an. “Erzählen Sie mir nicht, dass Sie beide mit einem der Segelschiffe meines Vaters Flaschendrehen gespielt haben?”
“Sei nicht albern, Gwen.” Lacy ging zu Adam, nahm ihm das Buddelschiff aus der Hand und legte es wieder auf Malcolms Tisch. “Es ist spät. Adam wollte gerade gehen.”
“Autsch.” Gwen zwinkerte ihm zu. “Schätze, das wussten Sie noch gar nicht, was?”
“Dein Zimmer ist schon bereit”, sagte Lacy. “Du kannst deine Sachen nach oben bringen und dich einrichten.”
“Autsch”, wiederholte Adam spöttisch, und sein Blick traf sich mit Gwens. Lacy spürte das Verständnis, das zwischen den beiden herrschte, und fühlte sich ausgeschlossen und zurückgewiesen. Sofort unterdrückte sie das Gefühl. Dass ihre Stieftochter sie zurückwies, war nichts Neues – das tat sie seit zehn Jahren.
“Gwen?” Sie zog die
Weitere Kostenlose Bücher