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Wie Inseln im Strom

Wie Inseln im Strom

Titel: Wie Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O`Brien
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genug, um sich nicht den Zorn der Stiefhexe zuzuziehen. Aber sie war froh, dass sie hergekommen war. Der Tag war wesentlich angenehmer verlaufen, als sie erwartet hatte. Denn Travis Rourke war hier. Und Adam Kendall. Zwei tolle Männer auf einmal. Mehr konnte eine Frau nicht verlangen.
    Also war sie geblieben. Selbst die Stiefhexe war schon gegangen. Das war gut so. Lacys Ausstrahlung war so abweisend gewesen, dass Gwen wenig Lust gehabt hatte, ihr nach Hause zu folgen. Selbst gut gelaunt war sie schwer zu ertragen, aber wenn sie schlecht drauf war, reichte ein einziger Blick, und man begann unwillkürlich zu frieren. Dann war sie eine Mischung aus Eiskönigin und Medusa.
    Aber jetzt überlegte Gwen, ob sie besser nicht auch gehen sollte. Travis war nirgends zu sehen, Adam schien auch schon fort zu sein, und das kleine Mädchen weinte immer lauter. Schlimmer konnte es selbst in Lacys Gegenwart nicht sein.
    Sie schaute hinüber. Es war Becky Jared. Mit etwa vier Jahren war sie die jüngste von Silas Jareds Enkeln. Ihr Kopf war hochrot, das Gesicht verzerrt. Die Kleine war völlig erschöpft.
    Verärgert schaute Gwen zu den Eltern hinüber, doch die beachteten sie gar nicht. Wussten sie denn nicht, wie anstrengend ein so langer Tag in der Hitze für ein Kleinkind war? Sie waren gerade dabei, eine weitere Dose Farbe aufzumachen – als würde die Welt untergehen, wenn die den dämlichen Zaun heute nicht mehr fertig bekamen.
    “Becky?”, rief Gwen. “Willst du dir das coolste Leuchtfeuer der Welt ansehen?”
    Beckys Schluchzen brach ab. Ihre Augen waren geschwollen, und die roten Locken klebten an den Wangen. “Nein.”
    Gwen zuckte mit den Schultern, als wäre es ihr egal, was das Mädchen von ihrem Vorschlag hielt. “Okay. Ich dachte, wir könnten nach oben gehen, denn manchmal kann man von dort aus Stormy sehen. Aber wenn du nicht willst …”
    Becky bekam plötzlich auch noch Schluckauf. Sie starrte Gwen an und schien sich nicht entscheiden zu können, ob sie lieber weinen oder sich etwas ‘Cooles’ anschauen wollte. “Wer ist Stormy?”, fragte sie nach kurzem Zögern.
    Gwen sah verstohlenen zu den Erwachsenen hinüber, als würde sie nicht wollen, dass die sie hörten. “Eine Seeschlange”, flüsterte sie hinter vorgehaltener Hand. “Sag bloß, du hast noch nie von ihr gehört. Wenn die Sonne untergeht, taucht sie manchmal auf und spielt in der Bucht.”
    Becky schaute aus dem Fenster. “Die Sonne geht gerade unter”, erwiderte sie mit großen Augen.
    Gwen nickte dramatisch. “Ich weiß.”
    Das kleine Mädchen wischte sich die Tränen aus den Augen und stand auf. Kekskrümel rieselten zu Boden. “Ich will sie sehen”, sagte sie.
    Gwens Blick traf sich mit dem von Beckys Vater. Er nickte lächelnd, und seine Lippen formten ein stummes ‘Danke’, bevor er seinen Pinsel wieder in den Farbeimer tauchte. Gwen ließ sich nicht anmerken, was sie von ihm hielt – warum hatten Leute Kinder, wenn sie sich nicht mit ihnen beschäftigen wollten?
    Becky zupfte an ihrem Ärmel. “Aber ich will nicht, dass du mich trägst”, warnte sie trotzig.
    Gwen streckte die Hand aus. “Das ist sehr gut, denn warum sollte ich das auch tun? Du bist kein Baby mehr, oder?”
    Zufrieden nahm das kleine Mädchen Gwens Hand und stapfte mit ihr die Treppe zum Leuchtturm hinauf, wobei es ungefähr alle zehn Sekunden eine neue Frage stellte. Wie sah Stormy aus? Wie alt war sie? War sie lieb oder böse? Konnte sie sprechen? Was aß sie? Hatte sie ältere Brüder und Schwestern?
    Als sie oben ankamen, war Stormy zwei Meter lang und smaragdgrün mit saphirblauen Augen. Sie trug eine Großmutterbrille und eine pinkfarben geblümte Badekappe. Sie war hundert Jahre alt – also unter Seeschlangen noch ein Kind. Sie liebte Wassermelonen und Schokoladenkekse und hatte achtzehn ältere Brüder. Mitfühlend verdrehte Becky die Augen angesichts eines so traurigen Schicksals.
    Fünfzehn Minuten später erzählte Gwen ihr gerade, wie Stormy ihre Familie vor dem bösen Anführer der Teufelsrochen gerettet hatte, als Beckys acht Jahre alter Bruder Tommy sich zu ihnen setzte. Wenig später kamen auch die zehnjährigen Jared-Zwillinge nach oben. Inzwischen war Stormy von Piraten gefangen worden, und alle Kinder drängten sich um die riesige Linse des Leuchtfeuers und lauschten gebannt.
    Bald standen die vier Jared-Enkel am Fenster und hielten nach der pinkfarbenen Badekappe Ausschau, während Gwen ihnen erzählte, wie ein Tornado Stormy hoch

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