Wie Inseln im Strom
auch ohne deine Spende schaffe, wenn es sein muss. Und jetzt entschuldige mich, ich muss zurück.”
Doch bevor sie davongehen konnte, drangen vom Meer laute Rufe und fröhliches Gelächter herüber. Als sie sich danach umdrehten, sahen sie, wie ein kleines Motorboot durch das flache Wasser an der Landspitze sauste. Am Ruder stand Adams Freund Travis, den Lacy bereits kennengelernt hatte. Außer ihm waren noch einige junge Schönheiten an Bord, die ihnen begeistert und mit hoch erhobenen Armen zuwinkten.
Darunter war auch Gwen. Sie stand am Bug, mit einer Bierflasche in der Hand, und rief etwas, das Lacy nicht verstehen konnte. Plötzlich drehte sie ihnen den Rücken zu und wackelte aufreizend mit dem Po. Dann legte sie die Hände an die Hüften, als wolle sie sich die Bikinihose ausziehen, doch Travis griff nach ihrem Arm und zog sie auf die Bank zurück, bevor er Gas gab.
Lachend fiel sie gegen ihn, als das Boot sich in eine scharfe Kurve legte und mit schäumender Bugwelle wieder aufs Meer hinausraste.
Gwen … Lacy spürte, wie sie errötete.
“Nimm es ihr nicht übel”, sagte sie zu Adam. “Gwen ist …” Verlegen tastete sie nach ihrem Haarclip und suchte nach der richtigen Formulierung. “Sie ist jung und hat noch ein paar ungehobelte Kanten. Auf jeden Fall tut es mir leid.”
“Du brauchst dich nicht für sie zu entschuldigen.” Adam sah dem Boot nach, das inzwischen so weit weg war, dass es wie ein Spielzeug aussah. “Ich mag sie.”
Lacy sah ihn an. Einen Mann wie ihn musste Gwens aufdringliche Art doch eher abschrecken.
“Das beruht offenbar auf Gegenseitigkeit”, sagte sie trocken. “Gwen hält nichts von … Benimm, wie du sicher schon bemerkt hast.”
“Stimmt.” Er drehte sich zu ihr um, und im Sonnenschein war die Narbe unter dem Auge noch deutlicher als sonst zu erkennen. “Schüchtern ist sie wirklich nicht. Aber sie muss so sein, denn sie ist ein Rebell, Lacy. Allein gegen eine Welt, die nicht immer nett zu ihr ist.”
Weil es auch nach zehn Jahren der Trennung zwischen ihnen beiden nicht vieler Worte bedurfte, ahnte Lacy, in welche Richtung das Gespräch ging. Sie straffte die Schultern. “Du scheinst ja eine Menge über sie zu wissen”, sagte sie eisig. “Obwohl du sie erst seit einer Woche kennst.”
“Ich weiß viel über Menschen wie sie”, verbesserte er. “Über Menschen, die selbst dann nicht kapitulieren, wenn sie Angst haben. Selbst dann nicht, wenn es wehtut. Über Menschen, die nicht einmal dann einen sicheren Hafen anlaufen, wenn auf dem Meer ein wilder Sturm wütet.”
“Du irrst dich, Adam. Du irrst dich sogar ziemlich gewaltig, was mich betrifft.”
“Wirklich?” Der Wind blies ihm das Haar in die Augen, und er kniff sie zusammen. Lag es daran, dass sein Blick ihr besonders hart erschien? “Willst du mir erzählen, dass du damals nicht in den ersten sicheren Hafen geflüchtet bist, nachdem ich weg war? Und dass du dich seitdem nicht dort versteckt hast? Dass du keine höllische Angst davor hat, einmal etwas Spontanes zu tun? Irgendetwas, das nicht hundertprozentig ungefährlich ist?”
“Ich will dir gar nichts erzählen”, antwortete sie und umklammerte den Kieselstein so fest, dass er sich an ihren Fingern heiß anfühlte. “Mir ist egal, was du über mich denkst.”
“Dann antworte mir doch einfach, Lacy. Sei einmal in deinem Leben ehrlich – wenn schon nicht zu mir, dann wenigstens zu dir.” Er legte die Hände um ihre Schultern. “Tust du jemals etwas, ohne vorher nachzudenken? Nur weil es sich gut anfühlt. Ohne zu überlegen, ob es klug oder sicher ist? Oder kosteneffizient?”
Das letzte Wort traf sie besonders hart, denn er betonte es auf geradezu kränkende Weise. Sie sah die Verachtung in seinen Augen. Und die tat weh. Wie früher, wie ein mühsam verheiltes Herz, das ihr zum zweiten Mal gebrochen wurde.
Sie schüttelte seine Hände ab und ohrfeigte ihn. Hart. Und dann warf sie den Kieselstein ins Wasser. Er versank sofort.
“Ja, Adam”, sagte sie leise. “Offenbar tue ich das manchmal.”
7. KAPITEL
G wen war müde, und das kleine Mädchen, das in einer Ecke des Hauses unaufhörlich weinte, trug nicht gerade dazu bei, dass es ihr besser ging. Sie war jetzt schon fast den ganzen Tag draußen am Leuchtturm, seit dem späten Vormittag, und jetzt ging die Sonne schon unter. Die Schatten, die durchs Fenster drangen, war lang und kühl und rosa.
Eigentlich hatte sie höchstens zwei Stunden bleiben wollen. Gerade lange
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