Wie keiner sonst / ebook (German Edition)
sich aber ernst an«, sagt Michael und grinst. Mein Dänischlehrer lächelt nur in seine Unterlagen. Dann schenkt er Kaffee in die kleinen Tassen, aus denen die Vorschulklässler Saft trinken.
Karsten Eriksen, der Direktor, betritt das Zimmer, ein Spätfünfziger in Jeans und Jackett.
»Gut, dass Sie kommen konnten«, sagt er und schüttelt Karin und Michael die Hände.
Er setzt sich und schenkt sich Kaffee ein. Auf seiner Tasse ist ein Elefant.
»Im Lehrerzimmer gab es keine sauberen Tassen mehr«, sagt mein Dänischlehrer.
Der Direktor kratzt sich mit dem Kugelschreiber am Kinn.
»Die Sache ist folgende … Ihr Sohn wurde auf dem Schulgelände beim Haschischrauchen gesehen, und …«
»Warum hat uns keiner etwas davon gesagt?« Karin richtet sich im Stuhl auf. »Sie hätten mich anrufen müssen …«
»Er ist nicht direkt dabei erwischt worden. Angeblich hat ihn jemand im Fahrradschuppen rauchen sehen, aber das ist nicht der Grund, warum ich mit Ihnen reden wollte.«
Sie holten mich ohne ein Wort der Erklärung aus der Klasse. Ich stand im Büro des Direktors und musste zusehen, wie sie meine Schultasche ausräumten. Schokoladenpapier und zerknitterte Zettel. Bücher und Kamm. Ein vergessenes Sandwich, mindestens eine Woche alt, in einer Plastiktüte, die niemand öffnen wollte.
Dann meine Bildermappe, die durchaus dick genug für ein paar platt gedrückte Joints war, also öffneten sie sie. Ich sah ihnen an, dass sie es sofort bereuten.
Der Direktor zieht die Mappe aus der Tasche und legt sie auf den Tisch. Karin sieht ihn zuerst verständnislos an, dann öffnet sie die Mappe und blättert durch die Zeichnungen. Michael schaut ihr über die Schulter. Alle starren entgeistert auf das Bild, auf dem mein Englischlehrer mit einem Schäferhund kopuliert. Der Hund trägt einen Strohhut mit kleinen Löchern für die zottigen Ohren. Karin blättert weiter, auf dem nächsten Bild kniet mein Mathematiklehrer mit offenem Mund unter einem Hengst. Michael kann sich das Lachen kaum verkneifen.
Bis wir zu den Bildern kommen, auf denen blutige Eingeweide wie Girlanden hängen. Ich habe sie bunt ausgemalt.
Karin schiebt den Stapel von sich. Der Direktor fragt, ob ich etwas dazu zu sagen habe. Ich schüttle den Kopf. Er legt die Bilder zurück in die Mappe und schließt sie.
»Das kann man wohl kaum noch als normal bezeichnen. Manche davon sind die reinsten Drohbriefe. Ich kann einen Schulverweis nicht ausschließen.«
»Einen Schulverweis?« Karin schaut von der Mappe zum Direktor auf. »Dann müsste er das Schuljahr wiederholen. Es ist nicht mehr lang bis zum Examen, er würde es nie schaffen, das nachzuholen …«
»Wir sind nicht sicher, ob eine normale Volksschule wie diese der beste Ort für ihn ist.«
»Wegen ein paar Zeichnungen?« Karin hat rötliche Flecken auf den Wangen, wie immer, wenn sie sich aufregt.
Der Direktor hustet in die Hand.
»Es ist natürlich nicht nur wegen der Bilder, aber wir sehen sie als Zeichen für eine äußerst unglückliche Entwicklung …«
Michael, der bis jetzt nervös mit seinem glänzenden Uhrenarmband aus Edelstahl gespielt hat, schaut auf.
»Sie haben doch selbst seine Tasche geöffnet.«
»Ja … ja, natürlich.« Plötzlich klingt der Direktor weniger selbstsicher.
»Ist die Tasche sein Eigentum, oder gehört sie der Schule? Selbst auf einer Volksschule haben die Schüler wohl grundlegende Rechte, oder?«
Der Direktor reibt sich die Knie.
»Was ich sagen will, ist … Ich möchte nicht, dass Sie dies als Strafe begreifen.«
Er macht eine Pause.
»Fest steht, dass Ihr Sohn Anpassungsschwierigkeiten hat. Viele seiner Lehrer haben sich darüber beklagt, wie schwierig er zu unterrichten sei.«
Karin und Michael schweigen.
»Hören Sie meinen Vorschlag.« Zum ersten Mal sieht mir der Direktor in die Augen.
»Ich finde, du solltest nach Hause gehen und überlegen, ob diese Schule der richtige Ort für dich ist. Ob du sie weiterhin besuchen willst. Wenn du dich dagegen entscheidest, wollen wir dir gern weiterhelfen. Wir könnten eine gute Privatschule für dich finden.«
Ich betrachte die Haare in seiner Nase, sie sind dick und gelb vom Nikotin. Wenn er eine Frau hat, bittet sie ihn bestimmt regelmäßig, sie zu stutzen.
»Aber wenn du hierbleiben willst, ist es deine Entscheidung. Wir stimmen ihr unter der Bedingung zu, dass du für den Rest des Schuljahres einmal pro Woche den Schulpsychologen besuchst.«
Der Direktor blättert in seinem Kalender und
Weitere Kostenlose Bücher