Wie keiner sonst / ebook (German Edition)
Hausaufgaben aus der Schultasche, fünf Seiten über Pelle, der Eroberer bis morgen.
»Dreh uns einen Joint«, sage ich. Er öffnet das Fenster und holt das Spray mit Kiefernnadelduft. Als er meinen Klumpen vom Tisch nehmen will, schlage ich ihn mit der Maus auf den Handrücken.
»Idiot«, sagt er und reibt sich die Hand.
»Ich weiß genau, dass du noch was hast. Hol es.«
Christian spielt beleidigt und holt einen anderen Klumpen aus dem Regal. Dann schließt er die Tür ab und dreht einen Joint. Er zündet ihn an, nimmt ein paar tiefe Züge und reicht mir die Tüte.
»Sie wollen mich von der Schule werfen«, sage ich, während ich rauche und schreibe.
»Willst du im Netto Dosen stapeln, oder was?«
»Sie wollen mich auf eine Privatschule schicken.«
»Zusammen mit Schizos und Mädchen, die sich selbst verstümmeln?«
Er grinst, bis er plötzlich begreift, was das für ihn bedeuten würde. Ich mache seit Jahren seine Hausaufgaben. Als wir damit begannen, hatte er eine Fünf, seitdem hat er sich schrittweise auf Zwei minus gesteigert. Trotz schlechter Examensnoten hat er es geschafft, aufs Gymnasium zu kommen. Es war meine Idee, dass er zu einem Psychologen gehen und auf Erwartungsangst machen sollte. Seitdem zeigen die Lehrer Verständnis, wenn er bei Examen unzusammenhängende Aufsätze schreibt oder bei Prüfungen stammelt.
»Ich hoffe, du bleibst hier«, sagt er.
D er Streit beginnt im Schlafzimmer, wo Karin sich schminkt, und geht auf der Treppe weiter, im Wohnzimmer und der Küche, und dann wieder im Schlafzimmer. Wenn sie so streiten, bin immer ich der Grund. Ich weiß es, obwohl ich nur einzelne Wörter aufschnappe und nie meinen Namen höre. Ich gehe zu Clara, sie sitzt in ihrem Zimmer auf dem Boden, umgeben von Plastikponys.
Ihre Eltern stehen nun unten an der Treppe, die Worte dringen bis zu uns hinauf, wütend und unterdrückt. Die Ponys hüpfen im Zimmer umher und schütteln ihre roten Mähnen. Clara summt laut vor sich hin.
Es kommt, wie es kommen muss. Die Babysitterin hat wegen Liebeskummer abgesagt, und Karins Mutter hat gerade eine Thromboseoperation gehabt. Wenn sie die tausend Kronen für die Eintrittskarten nicht zum Fenster hinauswerfen und heute Abend ins Theater wollen, muss ich auf Clara aufpassen.
Michael wird vorgeschickt. Ich höre es an den Schritten, sie sind schwerer als Karins, aber dennoch geschmeidig. Jeden Sonntag läuft er lange Touren im Wald und kommt in eng anliegenden, durchgeschwitzten Acrylklamotten zurück.
Er legt den Arm kameradschaftlich um meine Schulter, wie er es schon öfter versucht hat, zieht ihn aber wieder zurück. Er hat mich bei dem Streit verteidigt.
»Ist es in Ordnung?«, fragt er, wohl wissend, dass ich alles gehört habe. »Auf dem Küchentisch liegt Geld. Ihr könnt euch Pizza bestellen. Hol dir ein Bier aus dem Kühlschrank, wenn du willst.« Ich nicke, Michael zögert und geht schließlich die Treppe hinunter.
»Na, Clara«, sage ich zu meiner Schwester. »Sollen wir die Bude anzünden, wenn deine Alten weg sind?«
Sie schaut von ihren Ponys auf, lächelt.
»Was ist eine Bude?«, fragt sie.
Ich gehe mit ihr zur Haustür, damit sie ihren Eltern winken kann.
Karin trägt ein dunkles Kleid aus glänzendem Stoff und eine Perlenkette, die zu ihren Ohrringen passt. Michael trägt einen Anzug, aber keinen Schlips.
»Hast du die Eintrittskarten?«, fragt er.
»Hast du die Autoschlüssel?«, fragt sie.
Karin lächelt uns nervös an. »Lasst das Telefon einfach klingeln. Der Anrufbeantworter ist an.«
Michael schickt mir einen vertrauensvollen Blick.
Dann eilen sie hinaus zu dem dunkelblauen Kombi. Karin klemmt ihr Kleid in der Autotür ein, öffnet sie und schlägt sie wieder zu. Die Scheinwerfer leuchten auf, und sie sind weg.
Ich nehme meine Schwester mit in die Küche. Die Pizzareklame ist am Kühlschrank mit einem Magneten befestigt, einem Heiligenbild, das von einer Reise nach Rom mitgebracht wurde.
»Man kann doch keine Ananas auf Pizza legen. Willst du vielleicht noch Äpfel und Birnen drauf, oder eine Banane? Eine große Bananenpizza? Eine Affenpizza?« Clara stemmt die Arme in die Seiten, wie ihre Mutter, sie gibt nicht nach.
»Ich will eine Prinzessinnenpizza.«
Als es an der Tür klingelt, läuft sie hinaus und hüpft auf und ab. Für sie ist es immer noch unglaublich, dass man ein paar Zahlen in den Telefonhörer spricht und die Pizza wie von selbst kommt.
Beim Essen schauen wir einen Zeichentrickfilm, den Clara schon
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