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Wie keiner sonst / ebook (German Edition)

Wie keiner sonst / ebook (German Edition)

Titel: Wie keiner sonst / ebook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas T. Bengtsson
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kreist ein Datum ein. Ich bekomme vierzehn Tage Bedenkzeit. Wenn ich weiter auf die Schule gehen will, soll ich an diesem Tag bis zwölf Uhr in seinem Büro sein.
    Er klappt den Kalender zu, es ist beschlossen.
    Als Karin den Mund aufmacht, höre ich, dass sie aufgegeben hat. »Wird er nicht zu viel verpassen?«
    »Ehrlich gesagt machen wir uns weniger Sorgen um den Lehrstoff«, sagt mein Dänischlehrer.
    Wir fahren schweigend nach Hause. Michael sitzt am Steuer, als würde er über einen kurvigen Bergpass fahren, der seine ganze Aufmerksamkeit beansprucht.
    Vom Vordersitz höre ich leises Schluchzen. Karin versucht, sich zu beherrschen. Ich weiß, dass es nicht nur wegen der Zeichnungen oder des angedrohten Schulverweises ist. Die letzten Jahre wären leichter gewesen ohne mich.
    Die Babysitterin hat schon die Jacke angezogen. Sie sitzt auf der Treppe und wartet.
    »Clara ist gerade erst eingeschlafen, sie wollte nicht ohne euch ins Bett gehen.«
    Karin bezahlt sie und bietet ihr an, sie nach Hause zu fahren. Sie tut es aus purer Höflichkeit, das Fahrrad der Babysitterin steht draußen in der Einfahrt. In der Tür dreht sich das Mädchen noch einmal um.
    »Eine ältere Dame hat angerufen. Sie klang ziemlich verwirrt und hat behauptet, sie würde euch kennen.«
    »Ach, ich weiß«, sagt Karin. »Die ruft seit ein paar Tagen hier an. Das ist nur eine senile Alte, die wahllos herumtelefoniert.«
    Karin schließt die Tür hinter ihr, nimmt die Ohrringe ab und geht die Treppe hinauf, ohne sich umzudrehen.
    Michael hängt seine Jacke auf einen Bügel.
    »Hast du einen Augenblick Zeit?«, fragt er.
    Wir gehen in die Küche, Michael holt zwei Bier aus dem großen, silbergrauen Kühlschrank. Öffnet sie, lässt den Flaschenöffner in die Schublade fallen und schubst sie mit dem Ellbogen an. Lautlos gleitet die Schublade zurück. Die Schrankfront ist schwarz lackiert, unwillkürlich wischt Michael Fingerabdrücke mit dem Ärmel ab. Dann reicht er mir eine Flasche.
    »Ich behaupte nicht, dass ich dich verstehe. Im Gegenteil. Aber ich respektiere dich. Wahrscheinlich mehr, als du glaubst.«
    Er fummelt am Etikett der Flasche. Finger, denen eine Zigarette fehlt.
    »Dein Dänischlehrer ist ein Idiot … Und der Direktor ist ein alter Hippie. Aber deshalb musst du dir nicht gleich die Zukunft verbauen. Mach das verdammte Examen. Bring es hinter dich. Auf dem Gymnasium wirst du es leichter haben, da bin ich mir sicher.«
    Michael schaut in sein Bier, zuckt mit den Schultern.
    »Ich sage ja nicht, dass du so werden sollst wie wir. Gott bewahre.«
    Die Tür zum Zimmer meiner Schwester ist einen Spalt geöffnet. Sie umarmt ihren Teddy im Schlaf. Ich muss ganz still stehen, um sie atmen zu hören. Sie braucht ihre Träume nicht zu fürchten. In ihrer Welt freundet sich Goldlöckchen mit den drei Bären an. Meine Schwester ist umgeben von Prinzen und Prinzessinnen. Von Pferden und Zauberschlössern. Alles ist gekauft, die Poster an der Wand, der Plastikschmuck und die Puppen, die auf dem Boden liegen. Wenn sie etwas Neues möchte, fahren ihre Eltern mit ihr in den Spielzeugladen. Trotzdem bewundere ich es, wie tief sie in ihre eigene Welt eintauchen kann.
    Sie dreht sich im Schlaf um, als würde sie bemerken, dass ich sie ansehe. Ich will sie auf die Stirn küssen, aber ich habe Angst, sie zu wecken.
    Ich sitze auf der Fensterbank in meinem Zimmer und rauche einen Joint. Das Haus ist still. Das ganze Viertel ist still, der letzte Schluck Rotwein getrunken, der Mord im Fernsehen aufgeklärt. Morgen ist ein neuer Tag, nicht viel anders als heute. Aber ein neuer, schöner Tag, vorbereitet mit Notizzetteln und Kühlschrankmagneten: Kaninchen füttern nicht vergessen. Wer ist mit Staubsaugen an der Reihe? Lasagne zum Abendessen.
    Der Rauch füllt meine Lunge. Ich unterdrücke ein Husten und spüre die Wärme durch den Hals bis hinter die Stirn steigen. Wie ein dünner Schleier, der das Mondlicht gelblich färbt und den Nebel über den Schienen in tiefblaue Wattebäusche verwandelt.

D er Mann steckt den Arm ins Terrarium. Er hält die Hand so lange still, bis die Heuschrecken vergessen haben, dass sie lebt. Dann fängt der Mann eine und hält sie zwischen zwei Fingern. Er steckt sie zu den anderen in die Plastikdose, in der einmal Eiscreme war. Der Zoohändler ist über fünfzig. Vielleicht hat er Frau und Kinder, vielleicht hat er alte Freunde und fliegt in den Ferien ans Mittelmeer. Aber ich sehe ihn eher in einem von Aquarien

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