Wie keiner sonst / ebook (German Edition)
mindestens zwanzig Mal gesehen hat. Als er zu Ende ist, sehen wir uns den Anfang von Der Exorzist an, bis Clara sich nicht mehr traut, hinter dem Kissen hervorzugucken. Ich zeige ihr, wo ihre Eltern die Süßigkeiten verstecken, die guten mit den vielen Farbstoffen und E-Nummern.
Nachdem sie sich vollgestopft hat, gehe ich mit ihr ins Badezimmer.
»Alle müssen Zähne putzen«, sage ich. Sie schüttelt den Kopf, will den Mund nicht aufmachen.
»Hast du schon mal eine Prinzessin mit schwarzen Zähnen gesehen?«
»Ja, eine Negerprinzessin.«
»Die haben doch keine … Jetzt mach schon, sonst pinkle ich dich voll.«
Sie sieht mich an, kichert und nimmt die Zahnbürste.
Ich helfe ihr in den Schlafanzug.
Dann lese ich ihr Der kleine Prinz vor, aber für ihren Geschmack gibt es darin zu wenige Prinzessinnen, also entscheiden wir uns für drei Bilderbücher. »Ich kann nicht schlafen«, sagt sie, als ich die letzte Seite umgeblättert habe. Sie sieht mich mit großen Augen an.
»Soll ich noch ein Buch vorlesen?«
»Ich kann nicht schlafen.« Sie lächelt, weiß genau, dass es meine Aufgabe ist, etwas dagegen zu tun. Ich schaue auf die Uhr, noch Stunden, bis Karin und Michael zurückkommen.
Ich hebe sie aus dem Bett und ziehe ihr einen warmen Pullover, eine Hose und eine Winterjacke über den Schlafanzug.
Draußen ist es kalt und dunkel, sie drückt sich fest an mich, und wir gehen langsam die Straße entlang.
Ein paar Häuser weiter bleibt sie stehen und zeigt auf ein großes, weiß verputztes Haus. Ich kenne das Spiel.
Ich frage: »Bist du sicher, dass du das hören willst?«
Sie nickt.
»Und du versprichst, es niemandem zu erzählen?«
Sie nickt.
»Also. Die, die da wohnen, sind vor einigen Jahren mit einem Raumschiff hier gelandet. Sie sind knallgrün, verkleiden sich aber als echte Menschen. Eigentlich wollten sie nach Kopenhagen, aber sie haben die Karte falsch gelesen. Ihr Raumschiff steht in der Garage, sie arbeiten jedes Wochenende daran, weil sie wieder heimwollen.«
Wir gehen weiter, und nach einer kurzen Pause zeigt sie wieder auf ein Haus.
»Die da. Bist du ganz sicher, dass du es wissen willst?«
Sie drückt meine Hand.
»Okay, aber ich hab dich gewarnt.« Clara schaut mich neugierig an.
»Die Geschichte ist ziemlich eklig. Aber du bist ja ein großes Mädchen. Also … Letztes Weihnachten konnten sie keine Ente für das Festmahl bekommen. Sie war überall ausverkauft. Da haben sie den Hund des Nachbarn gegessen. Mit Karamellkartoffeln und Rotkohl. Am nächsten Tag haben sie die Knochen abgenagt. Jetzt hoffen sie, dass niemand es herausfindet.«
Wir gehen weiter, und Clara zeigt auf weitere Häuser.
Ich will gerade den Schlüssel aus dem Schloss ziehen, als das Telefon klingelt. Clara ist schneller als ich. Sie reicht mir den Hörer, als ich ins Zimmer komme.
Die Frau am anderen Ende sagt, sie sei meine Großmutter. Sie spricht jedes Wort überdeutlich aus, als könnte ich sie sonst nicht verstehen.
Sie sagt, sie habe schon oft angerufen, aber nie Glück gehabt.
Clara schaut mich fragend an, ich winke ihr, sie soll auf den Flur gehen und ihre Jacke ausziehen. Die Frau am Telefon sagt, sie müsse mich sehen, es sei wichtig. Als Clara zurückkommt, stehe ich noch immer mit dem Hörer in der Hand da.
»Stimmt was nicht?«, fragt sie.
Ich schüttle den Kopf.
Ich liege neben Clara und blicke auf ihre geschlossenen Augen. Ihre Hände greifen nach etwas, das es nicht gibt.
Später sitze ich auf dem Sofa und warte auf Karin und Michael.
Ich kann mich kaum aufs Fernsehen konzentrieren.
Dann höre ich den Schlüssel in der Tür, beide lachen, sie haben ein paar Gläser Wein intus und sind sicher erleichtert, dass keine Autos mit Blaulicht auf dem Dach vor der Tür stehen. Karin fragt, ob jemand angerufen habe. Ich schüttle den Kopf.
D ie Fassade des Kinos ist aus Glas, drinnen befindet sich ein kleines Café, wo es Sandwiches und Milchkaffee gibt. Das Kino hat nur einen Saal, ich frage nicht einmal, was läuft, kaufe einfach eine Karte und gehe hinein. In der hinteren Reihe sitzt ein älterer Mann und putzt seine Brille. Ganz vorne bewerfen sich zwei Jungen mit Popcorn und lachen. Plötzlich verstummen sie und schauen über die Schulter, sie haben Angst, beim Blaumachen erwischt zu werden, wie Tick, Trick und Track in dem Disneyfilm. Die Reklame ist vorüber, das Licht geht aus, und der Film beginnt. Er handelt von einem Polizisten, der mit seinem Hund spricht. Gemeinsam sollen sie
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