Wie keiner sonst / ebook (German Edition)
Frauen, eine kleine Gruppe mit bleichen Gesichtern und Fingern ohne Nägel. Sie tragen Schüsseln und Tabletts. Als Letztes kommen die Männer, die Fischer, schweren Schrittes, eine kleine Armee ohne Gleichschritt, auf dem Rückweg von einer verlorenen Schlacht.
Der Pfarrhof ist leer geräumt, wie für einen Kindergeburtstag. Die Sessel im Wohnzimmer sind durch Klappstühle ersetzt worden. Die Anrichte hat einen Kratzer an der Tapete hinterlassen, der Esstisch ist mit Wachstüchern gedeckt. Hier stellen die Frauen ihr Geschirr ab und decken Torten, kalten Braten, Frikadellen und gesalzenen Fisch auf.
Die Männer laufen zaghaft durch das Zimmer, in abgewetzten Anzügen mit Flicken am Ellbogen und alten Schuhen, die vor Schuhcreme glänzen. Ihr Dialekt ist so breit, dass ich kein Wort verstehe. Sie essen von Papptellern und leeren Bierflaschen in einem Zug.
Meine Tante stellt sich so dicht neben mich, dass ich ihre Brust auf meinem Arm spüre. Sie flüstert mir ins Ohr: »Die Männer auf dieser Insel sind Tiere. Das hat mein Vater immer gesagt. Er war ihr Hirte und hat es buchstäblich gemeint, wenn er sie Tiere nannte.«
Die Frauen treten eine nach der anderen vor meine Großmutter, nehmen ihre Hand und sagen ein paar tröstende Worte. Danach kommen die Männer, sie stehen mit hängenden Köpfen da, als wären sie Kinder, die etwas angestellt haben.
Nach wenigen Stunden ist das Büfett geplündert, und die Frauen räumen ab. Sie verabschieden sich von meiner Großmutter und verlassen den Hof.
Die Männer werden immer lauter. Die Dielen knarren unter ihren Füßen.
Meine Tante und Frederik stehen auf dem Korridor und streiten. Sie sagt, er und seine Schwester sollen auf ihre Zimmer gehen. Sofort. Und sie dürfen nicht öffnen, wenn jemand an die Tür klopft. Frederik weigert sich. Er bleibt auf der Treppe stehen, und als er mich sieht, zeigt er auf mich und fragt mit weinerlicher Stimme, warum ich bleiben dürfe. Schließlich geht er widerwillig die Treppe hinauf, und seine Schwester folgt ihm.
»Ich habe dir nicht zu sagen, was du tun und lassen sollst. Aber sei vorsichtig. Sie sind noch nicht mal angetrunken.«
Die Männer breiten sich vom Esszimmer, wo die Klappstühle unter ihrem Gewicht wackeln, in die Küche aus. Dort sitzen sie und trinken Schnaps aus Tassen und Wassergläsern. Der Tisch steht voll mit Flaschen ohne Banderole aus Polen und Deutschland.
Wenn meine Großmutter in der Tür erscheint, senken sie rasch die Stimmen. Nachdem sie ins Bett gegangen ist, gehört das Haus ihnen.
Ich schaue vom Korridor in die Küche, wo meine Tante die Männer bedient. Sie leert Aschenbecher und räumt ausgetrunkene Flaschen weg, sie lächelt und weicht den Händen aus, die nach ihr greifen. Sie trinkt mit den Männern, und als kein Weißwein mehr da ist, füllt sie ihr Glas mit Schnaps oder Bier. Dann setzt sie sich auf den Schoß eines Fischers und kichert, als wäre sie jünger als ihre Tochter. Als der Mann den Arm um sie legen will, springt sie auf, streicht ihm über die Wange und verschwindet aus seiner Reichweite.
Zwei Männer stehen vom Tisch auf und gehen nach draußen. Zehn Minuten später kommen sie wieder, der eine blutet an der Lippe, der andere hat eine geschwollene Augenbraue. In der Küche bekommen sie mehr Schnaps und Bier.
Meine Tante kommt aus der Küche. Ich verstecke mich am dunklen Ende des Korridors und versperre ihr den Weg.
Sie versucht vorbeizukommen, aber ich lasse sie nicht. Ein kleiner Tanz, hin und her, sie grinst. Die Männer in der Küche haben begonnen zu singen, es klingt hässlich und gewaltsam.
»Wofür wollte er Vergebung?«, frage ich. »Mein Großvater bat mich um Vergebung, bevor er starb. Was sollte ich ihm vergeben?«
»Die Männer warten nur auf einen Grund, sich zu prügeln. Wenn ich sie rufe, kommen sie sofort.«
»Setz dich«, sage ich.
Ihre Hände sind zu Fäusten geballt, sie bleibt stehen und sieht mich an. Dann sinkt sie auf die Bank an der Wand. »Ich weiß es nicht«, sagt sie. »Ich weiß es wirklich nicht.«
Ich rühre mich nicht vom Fleck, blockiere weiter die Tür. Als meine Tante endlich weiterredet, ist ihr Inseldialekt viel stärker als vorher.
»Ich erinnere mich an den Sommer, als es anfing. Dein Vater war höchstens sechs oder sieben Jahre alt. Er hatte irgendwas angestellt … eine Scheibe zertrümmert oder so, da rief Vater ihn ins Büro.«
Sie weint lautlos.
»Manchmal habe ich deinen Großvater tagelang nicht gesehen. Ich war meistens
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