Wie Kinder heute lernen
(Fließen-Erlebnis). Dieser Zustand ist charakterisiert durch ein Glücksgefühl, in dem man die Welt bei der Verrichtung einer Tätigkeit um sich herum vergisst und im Zustand höchster Konzentration arbeitet. Das »Flow-Konzept« stammt von dem US-Psychologen Mihaly Csikszentmihalyi, der diesen Zustand bei Menschen beobachtete, während sie besonders leistungsfähig waren (siehe auch Abb. 2 , Seite 44). Aber dieser Rauschzustand intensiven Arbeitens hat auch eine Kehrseite, wenn es bei einem Vorhaben eines hochbegabten Kindes mal nicht so gut läuft. Sie neigen dann zu heftigen Wutausbrüchen. Fehler und Misserfolge erregen Hochbegabte also mehr, als dies bei den meisten anderen Kindern der Fall ist.
Es ist nicht immer einfach zu erkennen, ob ein Kind überdurchschnittlich begabt ist, denn es gibt keine objektiven oder rein quantitativ festgelegten Kriterien, an denen sich besondere Begabung festmachen ließe. Zusammenfassend kann man folgende Charakteristika für eine Hochbegabung nennen:
› Sie haben oft Interessen, die nicht alterstypisch sind. Diese ge hen von ihnen selbst aus und werden ihnen nicht von ihren Eltern »antrainiert«.
› Überdurchschnittlich begabte Kinder zeichnen sich meist durch ein ungewöhnlich gutes Gedächtnis aus.
› Sie können sich oft besser und länger konzentrieren als viele ihrer Altersgenossen.
› Sie wollen oft mehr lernen als andere.
› Sie können häufig schon mit vier Jahren lesen, weil sie es sich selbst beigebracht haben. Sie fragen ihre Eltern nach Buchstaben und assoziieren daraus dann Wörter. Es kann aber auch sein, dass hochbegabte Kinder nicht lesen wollen, sondern einfach nur ungewöhnlich sprachbegabt sind.
› Manche Kinder wollen und können auch häufig schon vor der Einschulung rechnen.
› Die Begabung liegt oft nur in einem oder in wenigen Bereichen. Sie können motorisch sehr begabt sein, sich aber genauso gut als motorisch völlig unbegabt erweisen, dafür aber mathematisch sehr befähigt sein. So kann ein überdurchschnittlich begabtes Kind womöglich nicht so gut zeichnen wie andere Altersgenossen, aber sprachlich einen Riesenvorsprung haben. Es kommt häufig vor, dass kluge Kinder nicht alles gleich gut können, sondern besondere Stärken zeigen.
Kontinuum zwischen klug und superklug
Der Übergang vom klugen, überdurchschnittlich begabten Kind zum hochbegabten Kind ist fließend. Statistisch spricht man davon, dass ein Kind die Veranlagung zu einer möglichen Hochbegabung hat, wenn es in IQ-Tests zu den besten drei Prozent gehört. Mit anderen Worten: einen IQ von über 130 hat; aber auch dieser Wert ist nicht wie eine Hochsprungstange, die man überspringen muss, sondern lediglich ein Richtwert, an den man sich halten kann, ähnlich wie an die PS-Zahl eines Autos. Manchmal zeigt sich Hochbegabung auch nur in einem speziellen Fach oder im kreativen Bereich. Aiga Stapf, Begabungsforscherin an der Universität Tübingen, stellt die folgenden Verhaltensmerkmale zur Erkennung einer Hochbegabung schon bei Vorschulkindern auf:
› sehr hohe Lerngeschwindigkeit
› schnelles und zuverlässiges Erkennen von Strukturen und Regeln
› schneller und oft frühzeitiger Spracherwerb
› eine sehr gute Beobachtungsgabe
› Konzentrationsfähigkeit extrem früh sehr stark ausbildet
› enorme Gedächtnisleistungen
› hohe Sensibilität gegenüber Geräuschen, Gerüchen oder grellen Farben
› Abneigung gegen physische Auseinandersetzung
› Gefühl der Andersartigkeit und oft selbstkritisches Verhalten. Natürlich kommt auch ein gehöriger kultureller und damit subjektiver Einschlag hinzu, denn was eine Gesellschaft, was Eltern, was Lehrer als Hochbegabung empfinden, ist nicht objektiv festgelegt. Hochbegabung ist nicht etwas Feststehendes oder genetisch Determiniertes, sie entwickelt sich in einem Kind - und sie kann, wenn die Umweltbedingungen nicht stimmen, oder keine Leistungsbereitschaft vorliegt, auch in den »Kinderschuhen« stecken bleiben.
Wissensdurst
In Deutschland leben mindestens 300 000 hochbegabte Kinder zwischen 3 und 15 Jahren. Das sind drei Prozent aller Kinder einer Altersgruppe. Sie stellen ihre Eltern häufig vor komplexe Anforderungen. Sie stellen kluge Fragen, lieben schwierige Rätsel, merken sich alles besser und lernen schneller und sind der ganze Stolz der liebenden Eltern. Aber oftmals gestaltet sich das Leben mit ihnen schwieriger, als viele vermuten: Manche Eltern empfinden diese Besonderheit auch als Belastung
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