Wie Kinder heute lernen
aber effektiven Grundausstattung an emotionaler Ausdrucksfähigkeit (Freude, Lachen, Ekel) geboren. Darüber hinaus können sie Gesichtsausdrücke von Zufriedenheit, Traurigkeit und Überraschung erkennen und nachahmen. Die Imitation anderer Menschen in ihren Gefühlsausdrücken ist also schon früh angelegt und eine wichtige Voraussetzung für die spätere Empathie, die Fähigkeit, sich in die Empfindungen anderer Menschen einzufühlen. Schon ein Baby weint häufiger, wenn es nur ein anderes Kind weinen sieht. Es scheint also, dass wir von der Geburt an die Fähigkeit besitzen, Sinnesinformationen über den Gemütszustand eines anderen Menschen mit den unteren limbischen Mechanismen, die in uns selbst Gefühle verursachen, in Einklang zu bringen. Autistischen Kindern fehlt die Neigung, andere zu imitieren, und es gibt Untersuchungen, die die Vermutung nahelegen, dass hier die limbischen Strukturen zur Bewertung eigener und Gefühle anderer Menschen nicht richtig ausgebildet sind.
Temperament und Persönlichkeit
Die charakteristische Art und Weise, wie Menschen mit Emotionen umgehen, wird als Temperament bezeichnet. Es ist eine vor allem genetische Mitgift, die von der Persönlichkeit eines Menschen unterschieden wird. Der Begriff Temperament umschreibt,
wie reizbar ein Mensch, wie groß sein Wunsch nach körperlicher Aktivität, wie gesellig, aufgeschlossen oder schüchtern er ist. Zwar bestimmt das Temperament die Persönlichkeit mit, aber es regiert nicht allein. Persönlichkeit wird als gleichberechtigte Mischung aus Temperament und individueller Erfahrung definiert.
Insgesamt weiß man wenig darüber, inwiefern die neuronalen Grundlagen das Temperament und die Persönlichkeit ausmachen. Einzige Ausnahme ist hier die Neigung, auf Unbekanntes aufgeschlossen oder zurückhaltend zu reagieren. So sind 15 Prozent aller Kleinkinder sehr stark gehemmt (also extrem schüchtern). Ebenfalls 15 Prozent sind stark ungehemmt. Sie lassen ihren Gefühlen freien Lauf und zeigen in neuer Umgebung keine Angstreaktionen. Jerome Kagan, ein in Harvard lehrender Psychologe, stellte bereits in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts die Hypothese auf, dass gehemmte Kinder von Natur aus ängstlicher sind und entsprechend eine stärkere Aktivierung der Amygdala aufzeigen, während ungehemmten Kinder umgekehrt eine nur schwache Aktivierbarkeit der Amygdala aufweisen. In der Tat konnte man mittlerweile bei sehr stark gehemmten Kindern eine höhere Aktivierung des vegetativen Nervensystems registrieren, die die Kampf-oder-Flucht-Reaktion einleitet, ebenso wie eine vermehrt aktive Amygdala. Hinzu kommt, dass gehemmte Kinder oft rechtsdominant sind, d. h., ihr rechter Stirnlappen lässt eine stärkere Aktivität erkennen. Ungehemmte Kinder hingegen sind linksdominant. Diese Dominanz ist schon mit zehn Lebensmonaten in EEG-Experimenten sichtbar und scheint damit genetisch vermittelt.
Die entscheidende Frage, die sich für Eltern hieraus ergibt, ist die, inwiefern individuelle Erfahrungen des Kindes diese Tendenz verstärken oder abschwächen können. Ist es möglich, aus einem scheuen Kind, das sich nur ungern auf neue Situationen wie einen anderen Lehrer oder eine neue Schule einlässt, ein kontaktfreudiges, schnell für alles Neue zu begeisterndes Kind zu formen?
Formbarkeit des limbischen Systems
Für die Überlegungen hinsichtlich der Formbarkeit des limbischen Systems ist der Begriff der Persönlichkeit entscheidend. Denn sie lässt sich viel eher durch die Umwelt beeinflussen als das Temperament. Letzteres ist weitgehend eine Eigenschaft des unteren limbischen Systems (vor allem der Amygdala), während die Persönlichkeit vom langsam reifenden Stirnlappen gesteuert wird, der stark von Umwelterfahrungen geprägt wird. Etwa denen der Eltern, die im täglichen Miteinander durch ihre emotionalen Reaktionen und sozialen Interaktionen Kindern ein Beispiel geben, welches diese nachahmen. Und dies beeinflusst auch ihre sich entwickelnden emotionalen Schaltkreise. Zu den Merkmalen einer Persönlichkeit gehören Emotionalität (und damit das Temperament), Geselligkeit, Gewaltbereitschaft, Vorsicht oder Traditionalismus. Die sensible Phase für die emotionale Erziehung und Ausbildung der Persönlichkeit dauert beim Menschen etwa bis zum dritten Lebensjahr, wobei die ersten sechs Lebensmonate die bedeutsamsten sind, wie vor allem Untersuchungen an sozial isoliert aufwachsenden Affen belegt haben. Diese zeigten im präfrontalen Kortex Nervenzellen
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