Wie Kinder heute lernen
Mischformen.
Wie entstehen Gefühle im Gehirn?
Selbst Emotionen aufzubauen sowie Gefühle bei anderen Menschen wahrzunehmen, sind wichtige Funktionen des Gehirns. Gefühle werden im limbischen System hervorgerufen und verarbeitet. Das limbische System (siehe Abb. 6 , Seite 66) ist eine ringartige Ansammlung von Hirnkernen, bestehend aus Amygdala, Hippokampus, Hypothalamus und dem Gyrus cinguli - Strukturen, die vielfältig mit der Großhirnrinde verbunden sind. Sie können das gesamte Gehirn in seiner Funktion beeinflussen.
Das limbische System liegt direkt unterhalb des Großhirns und bezieht auch einige Strukturen der Großhirnrinde selbst mit ein. Der untere Bereich (Amygdala, Hippokampus, Hypothalamus) ist für den körperlichen Ausdruck von Gefühlen verantwortlich. Er kodiert universelle und genetisch vorgegebene Gefühlsäußerungen wie Herzrasen, Gesichtsmimik, Schwitzen der Handflächen, Aufrichten der Hauthaare genauso wie weiche Knie. Mit anderen Worten: Er sorgt für den berühmten Adrenalinschub. Dagegen ist der obere Teil mit dem limbischen Kortex für die Wahrnehmung und das Bewusstwerden von Gefühlen von entscheidender Bedeutung. Hier werden auch die Gefühle selbst einer Bewertung unterzogen und kontrolliert. Je nach kulturellem Umfeld und persönlicher Affektkultur des Individuums, je nachdem, wie gehemmt oder impulsiv ein Mensch also ist, werden in diesem Teil des limbischen Systems Gefühle abgeschwächt oder verstärkt. Wird ein Schüler an die Tafel gerufen, so wird dabei immer seine Amygdala sehr aktiv sein. Wie der Schüler dann mit der Stresssituation umgeht, bestimmen die Kontrollinstanzen im oberen Teil des limbischen Systems, die eine emotionale Bewertung vornehmen und die Aktivität der Amygdala überwachen.
Amygdala: Türöffner der Gefühle
Von besonderer Bedeutung für unseren emotionalen Haushalt - das gilt für Erwachsene wie für Kinder - ist also die Amygdala, der sogenannte Mandelkern. Er liegt paarig umgeben vom Großhirn jeweils an der Innenseite der Schläfenlappen. Wird er z. B. bei einer Hirnblutung geschädigt, kann es bei den betroffenen Patienten zu einer »Gefühlsblindheit« kommen, sowohl was die eigenen Gefühle betrifft als auch die Wahrnehmung von Gefühlen anderer, vor allem bezüglich Furcht, Angst und Aggression. Die Betroffenen empfinden selbst dann noch keine Angst, wenn man ihnen eine Pistole an den Kopf hält. Wird die Amygdala
funktionsuntüchtig, sind keine normalen menschlichen Beziehungen mehr möglich. So vermuten Forscher auch bei Autisten, die große Schwierigkeiten haben, mit anderen zu kommunizieren, eine Schädigung des Mandelkerns.
Aufgrund ihrer anatomischen Lage ist die Amygdala bestens in der Lage, alle Ereignisse emotional zu begleiten und zu bewerten. Sie ist hierbei nicht nur mit dem Hypothalamus als wichtigster Schaltzentrale für die Ausschüttung von Stresshormonen, sondern auch in vielfältiger Weise mit der Großhirnrinde verbunden. Hier kann sie schon auf der Wahrnehmungsebene beeinflussen, was wir wahrnehmen und wie wir die Welt im wahrsten Sinne des Wortes erleben: Je nach Anschauung kann ein zur Hälfte gefülltes Glas als halb voll oder als halb leer angesehen werden. Aber nicht nur das: Bestimmte Sinnesreize bekommt die Amygdala sogar früher zugespielt als die Großhirnrinde. Dies bewirkt, dass wir manchmal in einem ersten Schritt Gefühlsregungen wie Wut, Freude, Angst oder Schreck empfinden, bevor in einem zweiten Schritt in Abstimmung mit der Großhirnrinde überprüft wird, ob diese Reaktionen einer kritischen Kontrolle standhalten. Neben diesen Funktionen orchestriert sie die Kampf-oder-Flucht-Reaktion (fight or flight) des vegetativen Nervensystems, also das Verhalten, das ein Schüler etwa an den Tag legt, wenn der Lehrer ihn nach vorne an die Tafel bittet. Dabei aktiviert die Amygdala den Hypothalamus, der eine gewaltige Hormonkaskade in Gang setzt: Das Herz beginnt zu rasen, der Blutdruck steigt, die Haut wird blasser, man beginnt zu schwitzen, und die Pupillen weiten sich.
Diese weitverzweigten Verbindungen der Amygdala erklären, warum Gefühle fast jeden Aspekt unseres Denkens und Handelns prägen. Zusammen mit dem Hippokampus bezeichnet man die Amygdala aber auch als eine wichtige Flaschenhalsstruktur für Lern- und Gedächtnisvorgänge. Schließlich spielen Gefühle nicht zuletzt beim Lernen eine entscheidende Rolle, gegen die man nur schwer angehen kann. Was emotional aufwühlt, wird leichter im Gedächtnis
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