Wie Kinder heute lernen
mit weniger synaptischen Kontakten. Darüber hinaus hatten sie einen dauerhaft niedrigeren Noradrenalinspiegel. Noradrenalin ist einer der Botenstoffe im Gehirn, die das limbische System und die Großhirnrinde in ihren Aktivitätsmustern maßgeblich beeinflussen können. Der niedrige Noradrenalinspiegel beeinträchtigt den Aufbau und die Stabilisierung limbischer Nervenbahnen, deshalb können diese Tiere sehr schlecht mit Stress umgehen. Gleiches gilt auch für Kinder, die keine stabile Bezugsperson haben und dadurch zu keinem Menschen eine stabile Bindung eingehen konnten. Extrembeispiele machen die Wirkung deutlich: Misshandelte und sozial deprivierte Kinder zeigen ein um bis zu 30 Prozent kleineres Gehirn. Vor allem lassen sich Störungen im linken Stirnlappen nachweisen, wo angenehme Gefühle wahrgenommen werden. Bei diesen Kindern ist
der für das Faktenwissen und für Erinnerungen an Erlebnisse so wichtige Hippokampus verkleinert und in seiner Funktionsfähigkeit eingeschränkt. Kindesmissbrauch hinterlässt also auch im Gehirn Narben - und das vielleicht für immer! Solchermaßen misshandelte Kinder wachsen in einer Welt aus Angst und Schmerz auf. Die so wichtige Bindung zu einer Bezugsperson wird ihnen vorenthalten, und die dabei entstehenden Narben in ihrer Psyche entfalten ihre Wirkung ein Leben lang.
Wie wirkt sich die emotionale Atmosphäre, in der ein Kind aufwächst, auf die Hirnentwicklung aus? Hier wieder ein Extrembeispiel zur Verdeutlichung: Kinder, die bei depressiven Müttern aufwuchsen, zeigten schon als Kleinkinder bei freudigen oder traurigen Ereignissen eine andere Aktivierung des Stirnlappens: Bei ihnen ist der rechte Stirnlappen aktiver, d. h., die negativen Gefühle gewinnen gegenüber den positiven; Angst regiert über Freude und Hoffnung. Dies macht deutlich, dass sich die emotionale Umgebung, in der ein Kind groß wird und in der sich das Gehirn entwickelt, entscheidend auf diese Hirnstrukturen auswirkt. Dieser Einfluss kann dauerhaft und irreparabel sein.
Gefühle bei Mädchen und Jungen
Nicht nur bei kognitiven und motorischen Fähigkeiten unterscheiden sich Mädchen und Jungen voneinander. Auch die Verarbeitung und Wahrnehmung von Gefühlen verläuft bei ihnen jeweils anders. So sind Mädchen schneller bereit, ihre Gefühle verbal zu äußern oder mimisch zu zeigen. Sie lesen die Gefühlslage anderer Menschen besser. Mit anderen Worten: Ihre interpersonale Intelligenz ist höher als die der Jungen. Dies erklärt vielleicht auch, warum bereits kleine Mädchen eine größere Empathie empfinden. Jungen dagegen legen häufig eine speziellere Art von Emotion an den Tag: Aggression. Dies ist möglicherweise dem Umstand geschuldet, dass die Amygdala, die aggressives
Verhalten initiiert, bei Männern größer ist als bei Frauen. Entsprechend ist sie weniger leicht durch präfrontale Stirnlappenareale kontrollierbar. Bei Frauen hingegen ist eine höhere Ruheaktivität im orbitofrontalen Kortex des Stirnlappens (der Teil des Stirnlappens, der direkt oberhalb der Augenhöhle liegt) erkennbar, dadurch können sie die Impulse der Amygdala besser kontrollieren. Aus diesem Grunde sind Jungen, gerade wenn es um impulsive Aggressivität geht, wesentlich anfälliger als Mädchen. Sie zeigen auch eine asymmetrische Aktivität im limbischen System, und zwar mit einer Dominanz der rechten Seite, die vor allem negative Gefühle verarbeitet.
Es gibt also eine angeborene Tendenz, dass Jungen und Mädchen anders fühlen und ihre Gefühle unterschiedlich gut kontrollieren können. Die meisten Eltern und Lehrer beklagen, dass Jungen im Allgemeinen mehr raufen, weniger sensibel mit ihren Mitschülern umgehen und gefühlskälter auf Schulnoten oder Tadel reagieren. Insbesondere der Neigung von Jungen zu Aggressivität sollte man entgegenwirken. Halten Sie sie immer wieder dazu an, auch über die Gefühle anderer nachzudenken und die emotionalen Folgen ihres Handelns zu bedenken. Leider ist aber der Einfluss der Eltern auf die emotionale Reifung der Kinder nur eingeschränkt möglich, aber immerhin! Denn die Art und Weise, wie die Geschlechtshormone die Entwicklung des Gehirns beeinflussen, dürfte mit dafür verantwortlich sein, dass Jungen weniger emotional und insgesamt streitbarer reagieren. Es lohnt sich, auf die überschießende Amygdalaaktivität regulierend einzuwirken. Schulen Sie regelmäßig mit einer Art Emotionstraining die Wahrnehmungsfähigkeit für die Gefühle anderer. Denn: Aktivitäten von
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