Wie Kinder heute lernen
emotionale Nuancen in der Sprache erkennen als das rechte, ebenso wie der für die Bewertung und Kontrolle von Gefühlen so wichtige Gyrus orbitofrontalis rechts größer ist als links. Aber ähnlich wie bei kognitiven Fähigkeiten ist die Hemisphärendominanz nicht absolut. So ist auch die linke Großhirnhälfte entscheidend am Gefühlshaushalt beteiligt; sie vermittelt vor allem die positiven Gefühle, während die rechte Hemisphäre die negativen Gefühle (Ärger, Kummer, Furcht) verarbeitet. Warum den negativen Gefühlen mehr Platz eingeräumt wird, ist nicht bekannt.
Für Eltern ist interessant zu wissen, dass die Hemisphären unterschiedlich schnell wachsen und es sein kann, dass während der Entwicklung mal die eine, mal die andere Hemisphäre vorne liegt. Das erklärt auch, warum aus einem schwierigen Vierjährigen plötzlich ein entzückender werden kann und umgekehrt, je nach dem, ob die eher die positiven Gefühle verarbeitende Hemisphäre stärker ist oder die die negativen Gefühle verarbeitende.
Entwicklung der emotionalen Bausteine des Gehirns
Motorische Meilensteine von Kindern werden gerne in Kindertagebüchern und auf vielen Metern von Videoaufnahmen dokumentiert. Obwohl die frühe Kindheit durchaus als emotionale Achterbahnfahrt beschrieben werden kann - für Kinder und Eltern -, geht die Entwicklung der Gefühle oft unbemerkt vonstatten und wird als selbstverständlich angenommen. Dabei ist auch dies ein Prozess, der parallel zur Reifung des Gehirns stattfindet und ein Produkt aus Genen und Umwelterfahrungen ist. In der Tat entfalten sich bestimmte Komponenten des Gefühlslebens nicht, wenn dem Kind nie Einfühlungsvermögen, Zuwendung und Aufmerksamkeit zuteil werden. Fehlt die emotionale Bindung, sind massive und leider auch dauerhafte Veränderungen im Gehirn zu beobachten.
Der emotionale Apparat in Kinderköpfen beginnt seine Funktionstätigkeit zunächst im unteren Teil des limbischen Systems, dem Hauptsitz unserer Emotionen. Dieser ist früher entwickelt als der obere Teil des limbischen Systems, in dem die eigenen Gefühle wahrgenommen und kontrolliert werden. Insbesondere die Amygdala mit all ihren Verbindungen zum Hypothalamus, der die vegetativen Gefühlsreaktionen steuert, ist bei der Geburt bereits voll ausgebildet.
Mit der Entwicklung des oberen Teils des limbischen Systems lässt sich das Gehirn mehr Zeit, deshalb beginnt die Gefühlskontrolle und Bewertung von Emotionen erst mit fünf bis sechs Lebensjahren. Vor allem die Entwicklung des Gyrus orbitofrontalis nimmt mehrere Jahre in Anspruch, bis sie vollständig abgeschlossen ist. Erst wenn die Verbindung vom Stirnlappen zur Amygdala myelinisiert wird, was erst nach der Pubertät vollständig beendet ist, kann der PFK effektiv Emotionen kontrollieren. Erst dann ist diese Verbindung in der Lage, die starken emotionalen Reaktionen der Amygdala zu dämpfen. Die Reifung des Stirnlappens bewirkt, dass Gefühle nicht nur vom limbischen System erzeugt werden, sondern jetzt auch in höheren Arealen wahrgenommen werden können. Erst jetzt kann ein Kind eigene Gefühle mit Ereignissen der Umwelt in Einklang bringen. Es wird das Wissen nun erstmals nutzbringend anwenden, z. B. indem es die Aufmerksamkeit der Eltern auf sich lenkt, um ihnen dann genau darüber Auskunft zu geben, ob es gerade müde, hungrig oder frustriert ist. Auf der anderen Seite erwacht aber auch die Empathie. So beginnen Kleinkinder in dieser Phase beispielsweise damit, Kekse, die sie selber mögen, auch anderen anzubieten. All dies beginnt schon vor dem sechsten Lebensjahr, aber richtige Kontrolle über die eigenen Gefühlsausbrüche bekommen Kinder erst nach dem sechsten Lebensjahr.
Man könnte behaupten, dass der Weg zum Erwachsenwerden mit einer allmählichen Reifung des präfrontalen Kortex, einem riesigen Gebiet im Stirnlappen, zusammenfällt - dies beinhaltet
kognitive Komponenten, aber vor allem die emotionale Reifung und die Kontrolle über Gefühle.
Auch eine Metafähigkeit, wie sie die emotionale Intelligenz darstellt, ist in erster Linie eine Eigenschaft der Regionen direkt hinter unserer Stirn. Die Dendriten (die fein verzweigte Inputregion einer Nervenzelle) in diesen Stirnlappengebieten brauchen zwei Jahre, um sich auszubilden, dann erst beginnt das Aussortieren von brauchbaren zu ungunsten von nutzlosen Synapsen, die bis in die Pubertät hinein anhält. Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg, denn Neugeborene werden zunächst nur mit einer kleinen,
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