Wie Kinder heute lernen
Reaktionsbereitschaft steigt ebenso wie die Sauerstoffversorgung des Gehirns und die Konzentrationsfähigkeit (siehe Abb. 10 , Seite 152). Erst wenn die empfundene Belastung zu hoch wird, nimmt die Leistung wieder ab. Dann sind Symptome einer Überforderung erkennbar, die nicht zu vergleichen sind mit der Anspannung vor einer Klassenarbeit, mit dem leichten Bauchgrummeln, bevor es losgeht. Letzteres sind hilfreiche Mechanismen des Körpers, um sich zu konzentrieren. Bauchschmerzen, Angstschweiß und Zittern dagegen sind Alarmsignale für tiefer liegende Probleme. Hier müssen die Ursachen geklärt werden.
Stress sollte keineswegs unterdrückt oder ignoriert werden. Er muss abgebaut werden, etwa zwischen einzelnen Lerneinheiten, damit die Kinder wieder aufnahmefähig für Neues werden. Therapeuten haben dafür viele unterschiedliche erfolgreiche Methoden entwickelt. Es mag auf den ersten Blick irritierend sein, dass man Kindern beibringen muss, wie sie sich am besten entspannen. Aber die veränderten Lebens-, Spiel- und Medienwelten erschweren vielen den natürlichen Zugang dazu. Eine gute Möglichkeit des Stressabbaus bietet der Sport. Joggen,
Schwimmen, Tennisspielen regt die Durchblutung an und baut Stresshormone ab. Auch durch autogenes Training, eine Technik der konzentrierten Selbstentspannung, kann Stress reguliert werden. Mit Hilfe bestimmter Übungen ist es möglich, vom körperlichen Entspannungszustand in den psychischen autogenen Entspannungszustand überzugehen. Autogenes Training kann man erlernen. Kurse werden z. B. von Krankenkassen, Schulpsychologen oder Volkshochschulen angeboten. Alternative Entspannungstechniken sind Yoga-Übungen für Kinder, Atemtraining, Muskelentspannungstraining oder Achtsamkeitsübungen. Viele Lehrer haben diese Methode der Achtsamkeit und des Bewusstseins im Umgang mit unruhigen Klassen entdeckt. Achtsam zu sein bedeutet, die eigenen Gefühle zu erkennen, auch negative Gefühle zuzulassen, ohne sich als Opfer der Situation zu fühlen, sondern indem man sie bewältigt. Eine klassische Wahrnehmungsübung zur Achtsamkeit ist das Rosinenexperiment: Das Kind nimmt eine Rosine und schaut sie intensiv an, dreht sie zwischen den Fingern, schmeckt und riecht daran. Dies mag insbesondere Jugendliche zunächst lächerlich oder gar »uncool« anmuten, aber mit ein wenig Übung spüren sie schnell, wie sie sich entspannen.
Für all diese Techniken gilt allerdings: Man muss sie genauso wie die Muskeln beim Sporttraining üben. Dieser Vergleich leuchtet Kindern gewöhnlich sofort ein, schließlich lernt man Tennisspielen auch nicht in einer einzigen Trainerstunde.
Eine besondere Art des Stresses ist Prüfungsangst. Wer unter Stress steht, der kann sich nicht mehr richtig konzentrieren und wird nervös. Stresshormone blockieren den Gedankenfluss, lassen das Herz klopfen, den Blutdruck steigen und führen trotz Beherrschung des Lernstoffs zu einem Blackout während der Prüfung (siehe Kapitel 2.5, »Mit Stress gut umgehen«).
Prüfungsstress lässt sich dadurch abbauen, dass man sich besonders gut auf Prüfungen vorbereitet. Ein gutes Training sind Simulationen von Tests: Der Prüfling zeigt in einer möglichst
»echten« Situation vor Eltern und Freunden sein Wissen, hält sein Referat oder beantwortet Fragen. Noch besser ist allerdings, wenn er auf erlernte Entspannungsübungen vor der Prüfung, aber auch währenddessen zurückgreifen kann.
Mobbing: Opfer und Täter
»Mobbing« ist ein Thema, das sich zunehmend in der Gesellschaft und auch im Teilbereich Schule ausbreitet. Kinder mobben andere Kinder oder werden selbst gemobbt. Etwa dann, wenn Schüler mit anderen Schülern bewusst nicht sprechen und sogar andere Mitschüler dazu anhalten, einen bestimmten Schüler auszuschließen, ihn auslachen, sich über seine Nationalität lustig machen, ihn beschimpfen, ihm Schläge androhen, ihn erpressen oder ihm sogar körperliche Gewalt antun. In schweren Fällen müssen Eltern wie Lehrer offen über den Tatbestand einer Straftat diskutieren. Gegebenenfalls muss die Staatsanwaltschaft benachrichtigt werden.
Mobbing bereitet den Opfern oft unerträgliche Qualen. Sie tragen psychische wie physische Schäden davon oder reagieren mit psychosomatischen Symptomen wie Schlafstörungen, Hautausschlag, Unwohlsein und Appetitlosigkeit. Sie möchten einfach nicht mehr zur Schule gehen. Manche Schüler sind sogar so verzweifelt, dass sie über Selbstmord nachdenken. So weit darf es nicht kommen. Seit
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