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Wie kommt das Salz ins Meer

Wie kommt das Salz ins Meer

Titel: Wie kommt das Salz ins Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Schwaiger
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möchten oder fliegen, und wenn ich zu lange am Gitter stehe, legt der Hund sich neben meine Füße, und wenn ich mich zurücktaste, trottet er um seine Ecke zurück zur Autodecke. Er grollt nicht und macht kein Gejaule aus seiner Einsamkeit. Ich bette mein Gesicht in das gute Fell und frage ihn, wie er das aushält. Blitz seufzt. Ich warte ja. Von Tieren lernt man viel.
    Wie Rolf den Witz vom Mann erzählt, der nach Wien kommt und sagt: Schnee auf dem Kilimandscharo! Und den vom Mann in der Eisenbahn, der einer eleganten Frau gegenübersitzt. Und den vom Mann, der in die Hölle kommt und zwischen zwei Möglichkeiten wählen darf. Und die politischen Witze. Und noch einen politischen, der schon so alt ist, daß ihn wahrscheinlich keiner mehr kennt. Und wie sich die Zuhörer zum Lachen zwingen und dann jeder schnell einen Witz erzählt, damit die Lage nicht peinlich wird, denn gerade wurde weniger gelacht, und wie mich das alles nicht mehr stört.
    Was tust du? Was für ein Tanz soll denn das sein? Das ist doch kein Tanz! Und ohne Musik? Wie soll ich das verstehen, daß du die Musik in dir hast? Paß auf, du stürzt, erklär mir das mit der Musik! Hast du getrunken? Guter Stimmung bist du, einfach so? Warum sagst du es nicht gleich? Darf ich an deiner Fröhlichkeit teilhaben, wenn du ausnahmsweise fröhlich bist? Warte, ich lege eine Platte auf.
    Wir haben schon lange nicht miteinander getanzt, Rolf und ich. Er sucht den Plattenschoner, wo ist er denn, der liegt natürlich nicht dort, wo er liegen soll, aber das macht nichts, und linkszweidrei, wir üben jetzt den Linkswalzer, hab Geduld, du wirst ihn noch lernen, du mußt ihn mit mir tanzen auf dem nächsten Burschenbundball, leg den Kopf zurück, sei graziös, biegsam, warum bist du so plump, so ist es besser, eins, zwei, drei, nicht so große Schritte, steig dem Hund nicht auf die Pfoten, halt dich nicht so verkrampft, den Arm, den Arm, nicht so hart, sei geschmeidig, ja, das ist gut, Blitz, auf deinen Platz, der Hund ist eifersüchtig, ja schau dir das an, Blitz!
     
     
    Alberts Auto steht zufällig an der Gabelung des Wegs, auf dem Blitz täglich zweimal fünfzehn Kilometer zurücklegt. Es ist ein graues Auto. Albert trägt einen grauen Anzug. Er hat mehrere Zigaretten geraucht. Die Stummel liegen neben dem Vorderreifen. Er wartet wirklich ganz zufällig. Ob er mich ein Stück begleiten darf, ja, begleite, aber es wird ein langer Spaziergang werden. Albert macht auch gern lange Spaziergänge.
    Er ging den ganzen Weg durch den Wald mit mir. Und zurück. Mit Rast. Tannennadeln, Mooshärchen, Fichtennadeln, Farn. Seit wann? Seit dem Abend. Es war ein gelungener Abend. Ja, es war ein schöner Abend, du warst so still, auch du konntest schweigen, wollen wir immer still sein, ja, wir wollen. Er wird mich von nun an öfter begleiten. Ausgedehnte Spaziergänge. Blitz wird allein warten müssen, unterhalb der Weggabelung, an einen Drahtverhau geknüpft. Es ist sein Schicksal. Rolf hat ihn vorbereitet. Wenn das ganze Auto dann hinter der Kurve verschwindet, binde ich Blitz los, er setzt sich auf die Hinterpfoten, schau, ich bin noch da, bück dich, laß mich dein Kinn lecken. Er darf nicht lecken. Rolf hat es verboten, weil Hunde Hundewürmer haben, und die Eier der Hundewürmer haben Widerhaken, aber ich bücke mich, und der Hund leckt, mein Körper wird mir zu schwer, wenn Albert fort ist. Menschen in Autos sind schnell. Blitz und ich trotten demütig nach Hause.
    Wo warst du denn? Bei Karl, sage ich. Das paßt mir nicht, sagt Rolf. Warum nicht? Weil Karl kein Umgang ist für uns.
     
    Ich stehe am Waldrand, wenn es föhnig ist und der Schnee zu Matsch quillt, und das graue Auto kommt, ich steige ein, wir fahren in den Wald. Am Waldrand warte ich, wenn die Wiesen trocken sind, und das graue Auto, Albert steigt aus, und wir gehen zu Fuß. Auch in der Ordination ist es möglich, wenn Albert Krankenbesuche macht. Da breitet er eine weiße Schafwolldecke vor den Kamin, Hilde hat sie in Griechenland gekauft, zwei Polster aus dem Wartezimmer, wir haben eine Flasche Wodka und zwei kleine Gläser, Zigaretten, das Tischfeuerzeug und den Aschenbecher aus dem Wartezimmer. Wir küssen uns sehr lange. Ich habe mit Rolf vergessen, wie gern ich jemanden ausziehe. Ich fühle mich jung, so nackt, und anständig, weil ich mich wieder jung fühle. Aber Albert hat nicht so viel Zeit. Komm schon. Ich bin ja da. Und ob ich seinen Körper mag, ja, ja, daß ich es sagen soll, ohne daß er

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