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Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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dachte, dass er bemerkenswerte Fragen stellte. Was immer auch mit ihm geschehen war, seine Intelligenz hatte er nicht verloren.
    «Doch!», antwortete sie und nickte ihm zu. «Innerlich habe ich schon öfter Asyl beantragt. Bin aber dann doch dageblieben. Vielleicht war’s ein Fehler   …»
    «Kennen Sie das Gedicht von Nietzsche, das mit den Krähen?»
    Sie nickte.
    «Klar kenn ich das. Aber mich friert’s schon, wenn ich nur daran denke!»
    Er schob das Haarbüschel zur Seite, das ihm über die Augen fiel, und sah sie ernst an.
    «Wohl dem, der Heimat hat!», sagte er. «Aber es stimmt nicht! Nicht immer! Manchmal ist es gut, wenn man keine hat!»
    Laura hielt seinen Blick fest, bis er es nicht mehr aushielt und die Augen wieder abwandte.
    «Ich weiß es nicht!», antwortete sie. «Keine Ahnung. Noch mehr Rätsel auf Lager?»
    Da lächelte er plötzlich und reichte Laura seine rechte Hand, schüttelte die ihre kräftig.
    «Gute Nacht!», sagte er. «Schlafen Sie gut. Es war nett, Sie zu treffen. Kommen Sie gern wieder. Ich habe nicht viel Besuch, müssen Sie wissen. Über intelligente Menschen freue ich mich!»
    Laura starrte ihn verwirrt an, zog endlich ihre Hand zurück, als hätte sie sich verbrannt.
    Er ist total verrückt, dachte sie. Ich muss sofort zu Doktor Libermann. Warum hat Vater mir nicht gesagt, dass er total verrückt ist?
    Doktor Libermann hatte nicht viel Zeit, eigentlich gar keine, weil eine Notoperation in Vorbereitung war. Trotzdem freute er sich, Laura zu sehen, lief geschäftig hin und her und gab Anweisungen über seinen Piepser.
    «Ein Patient hat sich die Drainageschläuche aus dem Kopf gerissen! Ich muss sie neu legen. Eigentlich darf so etwas nicht passieren, aber irgendwer hat vergessen, ihn nach der Operation zu fixieren!»
    «Fixieren?», fragte Laura.
    «Ja, festbinden – fesseln, wenn Sie so wollen! Klingt schrecklich, ist aber in solchen Fällen lebensrettend!»
    Laura schluckte. Das Grippevirus attackierte sie heftiger. Jetzt taten auch ihre Muskeln wieder weh. Nur so eben, als würde jemand mit einer Messerklinge darüberstreichen.
    «Ich will Sie nicht aufhalten, Dr.   Libermann. Nur eine Frage: Hat er den Verstand verloren oder tut er nur so?»
    «Der junge Amnesiepatient   … fragen Sie mich etwas Leichteres. Ich hab keine Ahnung. Keine besondere Auszeichnung für uns Ärzte, aber unser ganzes Team ist ziemlich ratlos. Die eine Hälfte hält ihn für übergeschnappt, die andere für einen Simulanten. Jetzt können Sie sich selbst entscheiden, Frau Hauptkommissarin! Diesmal habe ich den richtigen Titel genannt, nicht wahr? Aber ich muss weiter! Hoffentlich sehen wir uns bald   … mit etwas mehr Ruhe, meine ich!»
    Verwirrt blieb Laura im Ärztezimmer zurück, stellte sich Drainageschläuche im Gehirn eines Menschen vor, empfand leichte Übelkeit. Konnte sich auch nicht vorstellen, dass sie am nächsten Morgen nach Florenz fliegen würde. Warum eigentlich nicht? Sie musste das klären.
     
    Das deutsche Konsulat lag am Rand der Innenstadt, nicht weit von den Boboli-Gärten. Eine alte Villa, seit längererZeit nicht restauriert. Über den Hügeln hinter der Stadt schimmerte seltsam rosafarbenes Licht, hatte den sanften Nebel eingefärbt, der jetzt am Abend wieder heraufzog und die Olivenbäume und Zypressen zerfließen ließ.
    Guerrini und Contessa Donatella warteten seit zwanzig Minuten im Wagen des Commissario und sahen dem Farbenspiel über den fernen Hügeln zu. Sie warteten darauf, dass sich die Zeiger der Uhr endlich der Fünf näherten, sprachen kaum. Guerrini hatte sie bereits in alles eingeweiht, was sie wissen musste. Obwohl er noch immer Zweifel am Einzelkämpfertum hatte, gewann er dieser Art von Ermittlung inzwischen einen gewissen Reiz ab – mehr noch als zu Beginn. Allerdings war er sich des Risikos durchaus bewusst, hatte seine Dienstwaffe mehrmals überprüft, sich sogar überlegt, was er als überzeugende Ausrede benutzen konnte, falls seine Kollegen ihn aus irgendwelchen Gründen überraschen würden. Er ging nicht davon aus, da die meisten von ihnen inzwischen mit einer Demonstration gegen die Sozialpolitik der Regierung beschäftigt waren, die am nächsten Morgen in Florenz stattfinden sollte. Tausende wurden erwartet, Florenz wäre im Ausnahmezustand.
    Am Vormittag hatte Guerrini die beiden Frauen in der Transfer-Wohnung mit Lebensmitteln versorgt. Die Nacht war offensichtlich ruhig verlaufen. Niemand hatte sie angerufen oder war an die Tür

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