Wie Krähen im Nebel
gekommen. Trotzdem hatten sie nicht geschlafen, wollten nur noch weg. Guerrini hatte ihnen versprochen, sie so schnell wie möglich abzuholen, fragte sich jetzt, ob er sein Versprechen würde einlösen können.
Zwei Minuten vor fünf nickte Guerrini seiner Begleiterin zu, sie stiegen beide aus dem Wagen und näherten sich der Villa. Seit sie warteten, war niemand aus dem Haus gekommen oder hineingegangen. An einem Torbogen hingen letzte Kletterrosen, vom Frost vergilbt. Eine Katze huschte davon,entkam mit weichem, lautlosem Sprung auf die geschwungene Mauer, die den Garten einfasste.
Donatella hielt sich hinter Guerrini, wie sie es ausgemacht hatten. Die große barocke Holztür war verschlossen, die Klingel glänzte golden über einer Gegensprechanlage. Natürlich gab es auch eine Kamera; wer auch immer dort drinnen auf sie wartete, hatte ausführlich Gelegenheit, sie zu studieren. Auf einem großen Messingschild standen die Öffnungszeiten des Honorarkonsulats der Bundesrepublik Deutschland. An keinem Tag hatte es nachmittags Besuchszeiten. Nur Montag bis Donnerstag von neun bis zwölf Uhr. Heute war Freitag.
Guerrini wechselte einen Blick mit der jungen Frau, dann drückte er auf den Knopf. Die Antwort kam so schnell, dass beide ein wenig erschraken.
«Das Konsulat ist geschlossen!»
«Wir kommen wegen des
Ombrellone
vorbei! Es wird nicht lange dauern!», sagte Guerrini.
Zwei, drei Minuten lang erhielten sie keine Antwort, und Guerrini wusste, dass hinter der großen Tür jemand vor einem Bildschirm stand und sie betrachtete. Kein angenehmes Gefühl. Dann surrte ohne Vorwarnung der Türöffner, sie traten nacheinander ein, gingen langsam fünf Stufen hinauf in ein Foyer, das erstaunlich modern war und trotzdem gut zu dem alten Gebäude passte. Das Foyer war leer.
«Hallo!», sagte Guerrini laut.
«Hallo!», antwortete jemand aus einem kleinen schwarzen Kasten an der Decke des Foyers. «Ich ziehe diese Art der Konversation vor, da es bei unserer Organisation nicht üblich ist, persönlichen Kontakt aufzunehmen. Trotzdem weiß ich, dass Sie nicht der Richtige sind. Wo ist der Verbindungsmann der Gruppe
Uccellini
?»
«Die Kommunikation innerhalb der Organisation scheint nicht besonders gut zu sein!», erwiderte Guerrini. «Sie wissenoffensichtlich noch nicht, dass der Verbindungsmann einen schweren Unfall hatte. Ich bin sein Stellvertreter. Deshalb sind wir hier. Der Transfer kann nicht mehr länger aufgeschoben werden. Die junge Dame hier ist die Lebensgefährtin des Verbindungsmanns. Aber das wissen Sie vermutlich. Sie ist gekommen, um die Reisepässe und Visa abzuholen, und wollte Sie bitten, auch den Weitertransport zu organisieren, da wir beide das Codewort nicht kennen und keine weitere Nummer haben.»
Wieder blieb es lange Zeit still. Guerrini hörte Donatellas schnellen flachen Atem, drückte beruhigend ihren Arm.
«Was ist mit dem Verbindungsmann? Warum kann er Ihnen das Codewort nicht geben?»
«Er liegt im Koma, befindet sich noch immer in Lebensgefahr! Wir müssen den Transfer am Laufen halten, sonst bricht die ganze Organisation zusammen.»
Wieder Stille. Guerrini war froh, dass es wenigstens keine tickenden Uhren im Foyer gab. Der Präsident der Deutschen schaute freundlich auf sie herab. Sein großes Porträt war der einzige Wandschmuck.
«Nein, es wäre nicht gut, wenn die Kette unterbrochen würde. Hat lange genug gedauert, bis wir diesen Weg in die Freiheit aufgebaut hatten!», sagte die Stimme endlich.
Wieso sagt er nichts über die toten Frauen, dachte Guerrini. Er muss es wissen, schließlich hat er die Touristenvisa für sie ausgestellt! Er muss ihre falschen Pässe in der Hand gehalten haben, ihre Namen waren ihm vertraut! Er beschloss, einen Vorstoß zu wagen.
«Vielleicht ist es besser, wenn Sie diesmal einen sicheren Transfer organisieren würden … wir fürchten um die Sicherheit der
Uccellini!
»
Die Antwort kam schnell und etwas lauter als zuvor.
«Das ist allein Ihre Angelegenheit. Ich habe mich nochnie um den weiteren Transfer gekümmert. Hier geht es ausschließlich um Visa. Völlig legale Visa! In unserer Organisation sind alle Aufgaben genau festgelegt!»
«Ist ja schon gut!», antwortete Guerrini. «Wir dachten nur, weil Sie viel mehr Erfahrung haben und der Verbindungsmann unserer Gruppe ausgefallen ist …»
«Sie müssen das selbst in die Wege leiten. Ich kann Ihnen die Nummer und den Code geben. Mehr kann ich nicht tun.»
Reingefallen, dachte
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