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Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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schnell Haare wachsen, dachte Laura, während sie den jungen Mann von hinten betrachtete. Vor knapp vier Wochen hatte er eine gepflegte halblange Frisur, jetzt trägt er eine wilde Mähne.
    «Hallo!», sagte sie leise. «Erinnern Sie sich an mich? Es tut mir Leid, dass ich lange nicht kommen konnte.»
    Er wandte ganz leicht den Kopf, beobachtete sie aus den Augenwinkeln und zeigte dabei einen Gesichtsausdruck, als handle es sich bei Laura um etwas Unerfreuliches, beinahe Widerwärtiges.
    «Ich erinnere mich nicht!», sagte er mit Nachdruck und drehte den Kopf weg.
    Laura betrachtete ihn von der Seite. Sie war sich ganz sicher, dass er sie erkannt hatte. Und ihres Wissens erstreckte sich eine globale Amnesie auf die Vergangenheit, dievor dem Trauma lag, und nicht auf die Zeit danach! Sie beschloss, ihn nicht mehr zu schonen, nachdem auch ihr Vater den Verdacht geäußert hatte, dass der junge Mann nur so tat, als erinnerte er sich an nichts.
    «Schade!», sagte sie. «Dann werde ich Ihnen nochmal erklären, wer ich bin. Ich war bei Ihnen, als sie aus dem Koma erwachten, und danach habe ich Sie ein paar Mal besucht. Ich bin Polizeikommissarin und muss einen Mordfall aufklären, in den Sie irgendwie verwickelt sind!»
    Er atmete plötzlich schwer, hustete, keuchte, starrte Laura dann mit wilden Augen an, und sie dachte, dass er überhaupt keine Ähnlichkeit mit dem bewusstlosen jungen Mann auf der Intensivstation hatte. Damals hatte er ausgesehen wie ein schlafender Engel, jetzt glich er einem wütenden Faun.
    «Deshalb seid ihr alle hinter mir her! Der alte Mann, die Leute hier im Krankenhaus! Alles Spione! Ich weiß es schon lange! Aber ich kann nicht weg! Da sitzt ein Polizist! Ich habe ihn gesehen, deshalb gehe ich nicht mehr vor die Tür!»
    «Ja!», erwiderte Laura und versuchte geduldig zu sein. «Es sitzt ein Polizist vor der Tür. Ich habe ihn da hingesetzt, damit er auf Sie aufpasst. Ich habe nämlich befürchtet, dass jemand Sie suchen könnte, weil Sie etwas wissen.»
    Er warf ihr einen entsetzten Blick zu, und sie dachte, dass er entweder ein verdammt guter Schaupieler war oder wirklich an heftigen Angstattacken litt.
    «Aber ich weiß nichts», flüsterte er. «Ich will hier raus   … es gibt doch Asyl. Ich beantrage Asyl in einem anderen Land, ganz egal wo!»
    «Das geht nicht so leicht. Um einen Asylantrag zu stellen, müssen Sie erst einmal wissen, wer Sie sind. Und Sie können auch nicht so einfach weggehen, denn Ihre Fingerabdrücke sind auf einer Pistole, und genau mit dieser Pistole ist eine junge Frau erschossen worden.»
    Er schüttelte so heftig den Kopf, dass seine Haare flogen. «Neeeiiin!», sagte er gedehnt. «Nein! Sie wollen mich reinlegen. Weil ich mein Gedächtnis verloren habe, wollen Sie mir etwas anhängen. Aber das lasse ich mir nicht gefallen. Ich kann aus dem Fenster springen! Ich habe es mir überlegt! Sie werden mich nicht kriegen! Keiner von euch!»
    Ein Gefühl großer Müdigkeit überkam Laura so plötzlich, dass ihr fast schwindlig wurde. Das Grippevirus, dachte sie. Es schlägt wieder zu! Vielleicht bin ich doch zu schnell aufgestanden. Aber es könnte auch an diesem jungen Mann liegen. Ich weiß einfach nicht, ob er mir etwas vormacht oder ob er wirklich unter Verfolgungswahn leidet und gleich aus dem Fenster springt.
    «Hören Sie, Pier Paolo, und entschuldigen Sie, dass ich Sie so anspreche. Falls Sie mit diesem Namen nicht einverstanden sind, sagen Sie es mir bitte!»
    Mit gesenktem Kopf, wirrem Haar, saß er zusammengesunken in dem Sessel (wieso eigentlich Sessel, dachte Laura – ein Privileg. Es gibt eigentlich keine Sessel in Krankenzimmern) und knetete seine Hände.
    «Es ist mir egal», flüsterte er. «Pier Paolo ist wenigstens ein Name.»
    «Gut!», seufzte Laura. «Ich verspreche Ihnen, Pier Paolo, dass ich alles tun werde, um Ihnen zu helfen und die Geschichte aufzuklären. Ich weiß noch nicht wie, aber ich werde es schon schaffen. Angst ist kein guter Zustand. Sie haben Angst, und ich kann das verstehen. Der alte Herr, der Sie jeden Tag besucht, ist Rechtsanwalt, und ich bin sicher, dass er einen Weg finden wird, um Ihnen Asyl zu verschaffen!»
    Pier Paolo rührte sich nicht. Nur seine Hände waren noch immer in Bewegung. «Asyl   … das ist doch so etwas wie ein neues Leben, oder?», fragte er leise.
    «So etwas Ähnliches   … ich hab noch nie Asyl beantragt.»
    «Auch nicht innerlich? Ganz für sich selbst?» Seine Hände lagen jetzt still, und Laura

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