Wie Krähen im Nebel
damit beabsichtigt. Es ist Ihre Interpretation, Doktor Petrovic!»
«Wenn ich nur wüsste, was da schief gelaufen ist!» Natali ließ ihren Blick durch das Konferenzzimmer wandern. «Ich will das hier nicht aufgeben, verstehen Sie, Laura. Ich fühle mich wohl hier!»
«Tja», murmelte Laura. «So ist das mit Zugvögeln. Sie müssen immer weiter …»
Laura erreichte Angelo Guerrini, als er auf dem Weg zum deutschen Konsulat war.
«Die Sonne scheint!», sagte er. «Komm schnell her – es sieht ganz verzaubert aus, weil sie so tief steht!»
«Ich komm ja schon. Und wenn ich auf eigene Kosten fliegen muss! Es sieht so aus, als könnten wir sie allmählich einkreisen. Ich habe eine neue Nummer in Florenz und ein Codewort dazu!»
Guerrini hielt seinen Wagen an und schrieb auf, was sie ihm durchgab.
«Ich werde gleich anrufen!», sagte er. «Würde mich nicht wundern, wenn ich gerade auf dem Weg zum Besitzer dieser Nummer wäre. Kann sein, dass du genau im richtigen Augenblick angerufen hast. Vielleicht hätte ich ohne diese Information einen Fehler gemacht!»
«Bedank dich bei Baumann – er hat die Adresse der mysteriösen Dame herausgefunden!»
«Ach, es reicht, wenn du es ihm ausrichtest!», erwiderte er leichthin, und beide brachen in Gelächter aus.
«Ci vediamo!»
Guerrini tippte die Nummer in sein Handy ein, lehnte sich in den Fahrersitz seines Lancia zurück und wartete. Es klingelte fünfmal, dann sagte eine leise männliche Stimme:
«Pronto! Il Consulato Tedesco!»
Guerrini zog die Augenbrauen hoch.
«Buon giorno! Ho bisogna un ombrellone!»
Ich brauche einen Sonnenschirm – er dachte, dass Codewörter immer ein bisschen dämlich klangen – wie Kinderspiele, auch wenn sich dahinter Morde, Millionengeschäfte oder Kriege verbargen.
«
Ombrellone?
Wir sind aber hier kein Geschäft für Schirme. Das ist das deutsche Konsulat!», antwortete die leise Stimme und schien noch leiser geworden zu sein.
«Jaja, das ist mir durchaus klar!», sagte Guerrini ebenfalls sehr leise. «Es handelt sich um einen ganz speziellen
Ombrellone
, und ich nehme an, dass Sie wissen, um welchen!»
«Ein
Ombrellone
für
Uccellini
vielleicht?»
«Ja, genau! Ich habe es doch gewusst, dass Sie Fachmann sind. Wann kann ich Sie sehen?»
«Kommen Sie um fünf ins Konsulat. Punkt fünf, haben Sie mich verstanden?»
Die Verbindung wurde unterbrochen.
Guerrini legte das kleine Telefon weg und dachte nach. Er würde die junge Contessa mitnehmen. Die andern wussten sowieso, dass sie in der Sache drinsteckte.
Noch zwei Stunden bis fünf. Guerrini wendete den Wagen und fuhr langsam in die Stadt zurück. In der Nähe von Donatellas und Flavios Wohnung fand er einen Parkplatz und rief Laura an.
«Gratuliere, es hat funktioniert!», sagte er.
«Ich habe einen Flug gebucht!», antwortete sie. «Morgen um zehn vor elf bin ich da!»
«Und ich hole dich ab – mit einem Sonnenschirm, falls es Vögelchen regnet!»
«Madonna! Sei vorsichtig!»
Der bunte Lichterbaum in der Eingangshalle des Krankenhauses erinnerte Laura daran, dass es nur noch zehn Tage bis Weihnachten waren. Noch immer hatte sie kein einziges Geschenk, nur die virtuelle Liste in ihrem Kopf. Halb vier Uhr nachmittags. Sie hatte Baumann ins Präsidium zurückgeschickt; vielleicht konnte er doch noch ein paar zusätzliche Informationen über Dr. Petrovic zusammensuchen. Laura selbst war auf dem Weg zu Pier Paolo, hoffte, dass ihr Vater inzwischen nach Hause gegangen war. Seit über einer Wochehatte sie den jungen Mann nicht mehr gesehen, war neugierig auf die Veränderungen.
Vor dem Zimmer 201 saß noch immer ein Polizeibeamter und las in einer Zeitschrift. Laura kannte ihn nicht, zeigte deshalb ihren Ausweis, fragte, ob alles ruhig sei.
«Total ruhig, Frau Hauptkommissarin. Seit wir hier sitzen, ist absolut gar nichts passiert. Ich bin – wenn Sie meine Meinung hören wollen – dafür, dass der Verdächtige in die Strafanstalt Stadelheim gebracht wird. Die haben auch eine Krankenstation. Da muss dann nicht immer einer vor der Tür sitzen wie hier!»
«Ich werde es mir überlegen, wenn ich den Mann gesehen habe!», antwortete Laura. «Passen Sie nur gut auf. Die Gefahr ist noch nicht vorüber!»
Leise öffnete sie die Tür. Draußen hatte die Dämmerung eingesetzt, und im Krankenzimmer war es schon ziemlich dunkel. Pier Paolo saß in einem Stuhl dicht am Fenster und schaute hinaus. Er rührte sich nicht, als Laura näher trat.
Erstaunlich, wie
Weitere Kostenlose Bücher