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Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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Gesicht, ineinander geschlungene Hände.
    Als Laura im Abteil stand, drehte Clara langsam ihr Gesicht aus dem Wind – nur ihr langes Haar flatterte noch. Ihre Augen waren ganz dunkel, schienen Laura kaum wahrzunehmen. Plötzlich drehte sie sich wieder um, hielt den Kopf aus dem Fenster und erbrach sich.
    «Er hat gezwungen das Zeug zu schlucken!», flüsterte Anita. In ihren Augen lag eine so tiefe Hoffnungslosigkeit, dass Lauras Haut wehtat. Behutsam legte sie eine Hand auf Claras Schulter, suchte mit der andern ein Papiertaschentuch und gab es ihr, als der Würgreiz nachzulassen schien.
    «Haben Sie Wasser dabei oder irgendwas zu trinken?», fragte sie Anita, die wieder verstummt war. Die junge Frau rappelte sich auf und reichte Laura eine Flasche Coca Cola.
    «Spülen Sie sich den Mund damit aus, Clara, spucken Sie’s aus dem Fenster. Und dann trinken Sie ein paar Schlucke. Das hilft gegen die Übelkeit!»
    Clara nahm die Flasche, spülte, spuckte, spülte, erbrach sich wieder, sank endlich erschöpft auf einen Sitz.
    «Er gesagt, dass wiederkommt. Nächstes Mal Anita dran! Das sein Fahrschein in Freiheit», sagte sie leise.
    «Warum habt ihr nicht geschrien?» Laura kam sich hilflos vor und schuldig.
    «Er gesagt uns umbringen, wenn schreien!»
    «Ja, aber ihr wusstet doch, dass wir nebenan sind. Wir wären sofort gekommen, um euch zu helfen!»
    Clara verzog das Gesicht. Würgte wieder.
    «Noch nie jemand gekommen, wenn ich Hilfe gerufen! Ich nicht schreien, wenn sagt umbringen. Ich wissen, was passiert!»
    «Clara – es tut mir so Leid. Ich kann mich nicht entschuldigen, weil es nichts hilft! Ich kann dir und Anita nur versprechen, dass dieses Schwein euch nichts mehr tun wird! Ich bleibe ab jetzt bei euch! Damit wird er nicht rechnen   …»
    «Wir sind eure Lockvögel, nicht wahr! Jeder benutzt uns für was anderes!» Etwas wie Hass lag in Claras Stimme.
    Ja, dachte Laura, so ist es wohl. Jeder benutzt euch für was anderes. Aber ich kann euch eines versprechen: Ich werde alles tun, damit wenigstens ihr beide aus dieser Scheiße rauskommt!
     
    Nichts rührte sich mehr. Der Eurocity durchquerte die Poebene, hielt in Verona, Rovereto, Trient, erreichte Bozen. Es war längst dunkel. Sie aßen Sandwiches, die Guerrini hereinreichte, tranken Wasser und Cola. Wenn eine aufs Klo musste, gingen sie stets zu dritt. Zweimal hatte der Schaffner Fabio Castelli ins Abteil geschaut, freundlich gelächelt und sich wieder zurückgezogen. Bertolucci war nicht zurückgekommen.
    Laura hatte sich ganz in die Ecke neben der Schiebetür gedrückt, sodass man sie erst sehen konnte, wenn man im Abteil stand. Sie war sich nicht sicher, ob Castelli sie überhaupt bemerkt hatte, denn er war nie eingetreten, hatte nur durch den Schlitz zwischen den Vorhängen gespäht.
    Sie waren sich näher gekommen, Laura und Clara. Und Laura hatte nach Flavio gefragt, nach den Regeln des Transfers.
    «Er hat nie gefordert. Er ist großes Kind. Ich wollte ihn   … ich! Vielleicht Dank für Freundlichkeit und Respekt. Er ist süß und wild   … war fast wie Liebe.»
    Arme Contessa, dachte Laura. Sie hatte doch das richtige Gefühl.
    «Hast du auch?», fragte sie Anita.
    Die schüttelte heftig den Kopf, und Clara antwortete an ihrer Stelle wie so oft.
    «Anita nicht! Anita macht nix, wenn nicht muss!»
    Der Zug hielt am Brenner, lange. Als Laura aus dem Fenster schaute, ging Bertolucci draußen vorbei, und sie flehte innerlich, das er nicht mit dem Gegenzug zurückfahren würde. Schneehaufen türmten sich am Rand des Bahnsteigs, aus einer offenen Waggontür flog ein Zigarettenstummel. Laura öffnete das Fenster und lehnte sich hinaus, sah den Schaffner weit vorn wieder einsteigen, dann setzte sich der Zug mit einem Ruck in Bewegung und rollte langsam bergab Richtung Innsbruck.
    Hoffentlich wartet Baumann in Innsbruck, dachte Laura. Wir müssen Bertolucci jetzt nochmal die Gelegenheit geben in Aktion zu treten, dann haben wir ihn sicher. Falls er es noch in Österreich versucht, müssen wir ihn festhalten, bis wir über die deutsche Grenze sind.
    «Clara», sagte sie leise, «ich werde euch beide jetzt allein lassen, aber ich schwöre, dass ich gemeinsam mit meinem Kollegen sofort kommen werde, sobald dieser Schaffner euer Abteil betritt!»
    Anitas Augen weiteten sich, doch Clara nickte.
    «Soll büßen, das Schwein! Wenn du nicht kommst, ich bringe um das Schwein!» Sie zog ein spitzes langes Messeraus der Seitentasche ihres Koffers und hielt es

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