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Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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stellen könnte. Aber sie stellte die Frage nicht, sondern sagte nur: «Ja, so könnte es gewesen sein.»
    «Übrigens, da ist noch etwas – eine Überraschung für dich, die du meinem Vater verdankst! Er ist der Meinung, dass er deinen Unbekannten mit der Amnesie erkannt hat. Der junge Mann müsste eigentlich im Mittelmeer ertrunken sein, da man sein leeres Segelboot gefunden hat. Aber mein Vaterist sicher, dass es sich bei dem Foto, das vor ein paar Tagen in den Zeitungen hier veröffentlicht wurde, um den Ertrunkenen handelt. Um den Conte Vittorio Barelli   – Enkel des alten Conte Barelli, den mein Vater schon seit Jahrzehnten kennt!»
    «Seltsam», murmelte sie. «So eine verrückte Geschichte hatte ich mir irgendwie vorgestellt. Jemand, der aus seinem alten Leben aussteigen will und schon gestorben ist. Er will sich gar nicht erinnern. Das hat mein Vater gesagt. Und ich glaube, es stimmt!»
    «Willst du es melden?»
    Laura schüttelte den Kopf.
    «Das hat Zeit. Wenn ich ganz ehrlich bin, dann ist es mir unangenehm, seine Identität zu melden. Vielleicht ist es ein noch größerer Schock für ihn als der Verlust seines Gedächtnisses.»
    «Noch eine Überraschung. Es könnte sein, dass unser Flavio dem jungen Conte bei seinem Ausstieg behilflich war. Na ja, diese Organisation der Menschenfreunde besorgt ja auch falsche Dokumente.»
    «Nicht schlecht! Es sieht so aus, als könnten wir alle möglichen Fragen rund um diese verrückte Geschichte aufklären, nur das Wichtigste fehlt noch: der Mörder!»
    Das Wort Mörder hatte der Taxifahrer offensichtlich verstanden, obwohl im Radio eine Nachrichtensprecherin gerade sehr laut und außerordentlich schnell redete. Er drehte sich halb um, sah erschrocken aus. Laura lächelte ihn freundlich an.
    «Manchen Sie sich nichts draus!», sagte sie. «Wir sind Krimiautoren.»
    «Ach sooo!» Er lachte ein bisschen zu laut, und Laura begegnete während der ganzen Fahrt immer wieder seinen forschenden Augen im Rückspiegel.
     
    Zwanzig vor zwei setzte Laura Gottberg sich auf eine Bank im Abschnitt C des Bahnsteigs, an dem der Eurocity von Rom nach München erwartet wurde. Sie hatte ihr Make-up aufgefrischt, trug wieder die dunkle Brille, was nicht besonders auffiel, denn zum ersten Mal seit Tagen schien die Sonne. Die ungestümen Winde in der Höhe hatten die Wolken auseinander getrieben, verrückte Federgebilde aus ihnen gemacht, die über den Hügeln dahinsegelten, als hätten Riesenvögel sich geschüttelt.
    Laura hatte mit Guerrini noch einmal alle Fakten durchgesprochen, und sie waren zu dem Ergebnis gekommen, dass die Organisation bei aller vorgeschobenen Professionalität ziemlich dilettantisch agierte und irgendwer in der Kette diese Schwäche für sich genutzt hatte.
    Der schwarze Mann, den die Putzfrauen gesehen haben, dachte Laura. Sie rief sich die Schaffner Sergio Bertolucci und Fabio Castelli vor Augen, den Zugführer Antonio Kofler, den dünnen Kellner im Speisewagen. Einer von ihnen? Aber wo lag das Motiv? Angelos Worte über Flavio fielen ihr ein: Vielleicht konnte er etwas ausleben, das er mit seiner Contessa nicht ausleben konnte   … aber keine der Frauen hatte kurz vor ihrem Tod sexuelle Kontakte gehabt. Jedenfalls stand das in den Autopsieberichten. Es musste etwas anderes sein. Was hatte der Südtiroler Lastwagenfahrer gesagt, der in Mantua einsaß? Dass die viel Geld für wenig Spaß verlangt hatte   …
    So komm ich nicht weiter, dachte Laura. Wo bleibt meine Intuition? Sie hatte wieder leichte Kopfschmerzen, das Virus war mit ihr nach Florenz geflogen, blockierte wahrscheinlich sogar ihre kriminalistischen Fähigkeiten.
    Elf Minuten vor zwei. Am Beginn des Bahnsteigs tauchten zwei Frauen auf, die Trolleys hinter sich herzogen. Clara und Anita, so ordentlich angezogen, dass Laura lächelnmusste. Vielleicht waren die langen Wollröcke trotzdem ein wenig zu eng, die Schlitze an den Seiten etwas zu hoch.
    Jetzt waren sie da, schauten hinauf zu dem C, blieben stehen, nah beieinander, blickten sich unauffällig um. Laura hustete laut, zwinkerte Clara über den Rand ihrer Sonnenbrille zu, stand auf und begann auf und ab zu gehen, entfernte sich von den beiden Frauen, kehrte zurück, ging wieder. Tat, was wartende Fahrgäste tun   … studierte eine Anzeige, schaute auf die Uhr, spähte die Gleise entlang. Clara und Anita dagegen rührten sich nicht.
    Allmählich füllte sich der Bahnsteig, Laura musste ihre Kreise enger um die beiden ziehen, doch niemand

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