Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
Vom Netzwerk:
dunkel, vier Minuten lang – Laura hatte auf die Uhr gesehen – und wieder hell, fünf Minuten lang, wieder dunkel – diesmal für sieben Minuten. Ein schummriges Licht ging jedes Mal an, wenn der Zug in einen Tunnel fuhr. Laura war hellwach. Noch immer kein Schaffner. Schon die halbe Strecke nach Bologna.
    Ein Mann kam vom Speisewagen her durch den Gang, blieb vor dem Abteil der beiden Frauen stehen. Er trug eine Baseballmütze, einen langen Parka. Laura richtete sich auf.
    Der Mann drehte sich zum Fenster und schaute auf die leicht verschneite Landschaft hinaus, drehte sich zu Laura, lüftete kurz seine Mütze.
    Es war Guerrini. Erst jetzt erkannte sie ihn. Keine schlechte Verkleidung. Laura stand auf, trat auf den Gang und stellte sich neben ihn.
    «Bella, eh!»
, sagte er heiser und wies mit dem Kinn auf das wilde Flusstal, dessen Steine von einer schimmernden Eisschicht überzogen waren.
    «Bella!»
, antwortete sie.
    «Ich setz mich in das Abteil auf der anderen Seite!», flüsterte er. «Dann haben wir sie in unserer Mitte!»
    «Schnell, ehe der Schaffner uns zusammen sieht!» Laura drehte sich um und kehrte auf ihren Platz zurück. Guerrini blieb noch eine Minute lang am Fenster stehen, verschwand dann ebenfalls. Der alte Mann in Lauras Abteil schnarchte inzwischen mit offenem Mund. Seine Frau hatte sich in den Sitz zurückgelehnt und starrte ihn an.
    Zwanzig Minuten vor Bologna erschien am Ende des Gangs der Schaffner. Der schwarze Mann, dachte Laura. Die dunkle Uniform im schummrigen Licht. Durchaus möglich. Jetzt war er bei Guerrinis Abteil, hielt sich nur kurz auf, ging weiter zum Abteil von Clara und Anita, trat einen Schritt zurück, schien die Vorhänge zu mustern, klopfte und zog beinahe gleichzeitig die Tür auf.
    Laura tat so, als schliefe sie, denn er schaute nach links und rechts, ehe er in das Abteil trat und die Tür hinter sich zuzog. Laura wechselte in einen Sitz neben der alten Frau und presste ein Ohr an die Wand, hörte Stimmen, konnte aber nichts verstehen.
    «Unbequem, nicht wahr!», sagte die alte Frau. «Dieses lange Sitzen!»
    Laura nickte. Der Kopf des alten Mannes fiel nach vorn, ein paar Sekunden lang hörte er auf zu schnarchen, dann lehnte er sich wieder zurück, sein Mund klappte auf und er schnarchte weiter. Seine Frau starrte ihn an.
    Laura sah auf die Uhr. Sechs Minuten war er jetzt drin, sieben. Und sie fuhren durch einen Tunnel, der endlos lang zu sein schien. Acht Minuten, neun. Laura wechselte wieder den Sitz, was machte er nur so lange? Wenn er nicht sofort aus dem Abteil herauskam, würde sie hineingehen! Ihr Herz klopfte schneller. Jetzt trat Guerrini auf den Gang, lehnte sich ans Fenster und zuckte die Achseln.
    Jetzt, dachte Laura und sprang auf, hatte schon die Schiebetür aufgezogen, als der Schaffner aus dem Nebenabteil kam, auf die Uhr sah und lächelnd sagte:
    «In acht Minuten sind wir in Bologna! Der Zug ist vollkommen pünktlich! Ich helfe Ihnen gern mit Ihrem Gepäck, falls es schwer sein sollte – aber bitte zeigen Sie mir doch noch Ihren Fahrschein, ehe Sie aussteigen, Signora. Waren Sie schon einmal in Bologna? Es ist eine wunderbare Stadt! Schöner als Rom oder Florenz – finde jedenfalls ich. Bologna ist meine Heimatstadt, müssen Sie wissen   …» Sergio Bertolucci lächelte breit, und Laura dankte den Erbauern der Bahnstrecke für die vielen Tunnels und das Dämmerlicht. Sie beugte sich über ihren Rucksack und suchte nach dem Fahrschein, murmelte undeutlich auf Deutsch, dass sie Italienisch nicht verstehen könnte.
    Er war zum Glück nicht sehr an ihr interessiert, sah irgendwie aufgelöst aus, die Backen hochrot, und Laura erinnerte sich, dass er eigentlich eher ein blasser Typ war. Er hatte das Gesicht eines Mannes nach einer schnellen sexuellen Begegnung, das war es!
    «Sie sollten ein paar Tage in Bologna verbringen, Signora!», sagte er fröhlich, während er bereits das nächste Abteil kontrollierte. Das alte Paar hatte er kaum angesehen. «Eigentlich sollte man Zugfahrten bei jeder Station unterbrechen und sich die Gegend ansehen.» Er verschwand langsam am Ende des Ganges, immer weiter vor sich hinredend.
    «Geh du nachsehen!», sagte Guerrini. «Ich pass auf, dass er nicht zurückkommt!»
    Mit klopfendem Herzen schob Laura die Tür auf und teilte den Vorhang. Kalte Luft schlug ihr entgegen. Clara hatte das Fenster herabgezogen, hielt ihr Gesicht in den eisigen Fahrtwind. Anita kauerte mit geschlossenen Augen in einer Ecke, weißes

Weitere Kostenlose Bücher