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Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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im Archiv und im Internet herum. Ihre Erinnerung hatte sie nicht getäuscht. Vor zwei Monaten war eine unbekannte tote Frau neben den Gleisen zwischen Florenz und Bologna gefunden worden. Eine Frau, die angeblich Prostituierte war.
    Jetzt war alles auf dem Weg. Mehr konnte Laura im Augenblick nicht tun. Es war halb fünf und schon dunkel.
    Laura dankte dem Himmel, dass Sofia eine Ganztagsschule besuchen konnte. Sie war vermutlich auf dem Weg nach Hause. Luca hatte gerade Basketball-Training. Würde gegen halb sechs nach Hause kommen.
    Ich werde jetzt nochmal im Krankenhaus fragen, ob der junge Mann aufgewacht ist, und dann einkaufen gehen, dachte Laura. Als sie den Hörer abnahm, fiel ihr ein, dass sie ihren Vater nicht angerufen hatte. Den ganzen Tag hatte sie nicht an ihn gedacht, von ihm ebenfalls nichts gehört, was erstaunlich war, denn normalerweise rief er mindestens zweimal täglich an.
    Laura atmete ruhig ein und aus, ehe sie die Nummer des alten Gottberg anwählte.
    Bitte keine Vorwürfe, bitte keine Katastrophen, flehte sie innerlich. Warum geht er denn nicht ran? Achtmal klingelte es, neunmal, zehnmal. Endlich. Ein heiseres «Jaa?»
    «Bist du das, Vater?»
    «Wer sonst?»
    «Du hast dich nur mit Ja gemeldet   …»
    «Ist es schon so weit, dass du meine Stimme nicht mehr erkennst?»
    «Vater, bitte! Ich hatte heute einen absolut vollen Tag und kaum geschlafen. Sag, geht’s dir gut? Soll ich vorbeikommen? Brauchst du was?»
    «Hast du noch mehr Fragen auf Lager?»
    «Ja! Bist du sauer?»
    «Nein. Ganz und gar nicht. Ich unterhalte mich gerade angeregt mit einer jungen Nachbarin, die außerdem die beste Lasagne zubereitet hat, die ich seit dem Tod deiner Mutter gegessen habe. Wir essen gerade – könntest du vielleicht später nochmal anrufen?»
    Laura überlegte kurz. Ihr Vater erfand manchmal solche Geschichten – es war eine Art Spiel zwischen ihnen. «Tutmir wirklich Leid, Vater. Ich wollte dich schon heute Vormittag anrufen, aber eine Besprechung nach der andern kam dazwischen. Wir haben einen ziemlich unklaren Fall.»
    «Natürlich, natürlich. Sind nicht alle deine Fälle ziemlich unklar? Ich meine, bis sie gelöst sind!»
    Laura hob die Augen zur Decke.
    «Ja, du hast wie immer Recht. Brauchst du wirklich nichts?»
    «Nein, wirklich nicht. Du musst auch nicht herkommen – es geht mir gut; ich habe reizende Gesellschaft. Die junge Dame studiert Jura, und wir unterhalten uns über Fachfragen. Wirklich sehr interessant – ganz anders als mit den alten Trotteln, die ich einmal im Monat treffe. Die reden nur alle von den großartigen Gerichtsauftritten, die sie früher hatten. Einer versucht den andern zu übertrumpfen – eine trostlose Angelegenheit.»
    «Gut, dann komm ich morgen!»
    «Wunderbar! Also auf morgen!»
    «Schlaf gut, Vater!»
    «Wünsch mir lieber einen angenehmen Abend! Ich hab nicht vor, bald ins Bett zu gehen!» Er hatte aufgelegt, ehe Laura antworten konnte.
    Ganz neue Töne, dachte sie. Oder macht er mir was vor, um mich zu beruhigen? Auch das würde zu Vater passen.
    Unschlüssig begann sie damit, ihren Schreibtisch ein bisschen in Ordnung zu bringen – trödelte herum, weil sie auf die Rückkehr von Peter Baumann wartete. Laura hatte ihn noch einmal zum Bahnhof geschickt. Er sollte sich die Stelle, an der Stefan Brunner und der Unbekannte gefunden worden waren, genauer ansehen. Vielleicht konnten sie auf diese Weise ihr Versäumnis der vergangenen Nacht ausbügeln.
    Zehn nach fünf beschloss sie zu gehen, wählte Baumanns Handy an.
    «Bleib noch fünf Minuten!», sagte er. «Ich bin schon auf dem Weg zu dir! Mit einer Überraschung!»
    «Welcher?», wollte Laura fragen, doch Baumann hatte das Gespräch schon beendet, stand wenige Minuten später keuchend im Zimmer und zog langsam einen Plastikbeutel aus seiner Jackentasche.
    «Schau mal, was ich gefunden habe!», sagte er triumphierend und hielt den Beutel gegen das Licht. Das Material war nicht besonders durchsichtig, und so wirkte der Gegenstand verschwommen. Trotzdem erkannte Laura die Umrisse einer Pistole.
    «Sag nicht, dass du die zwischen den Gleisen gefunden hast!»
    Baumann lachte auf. «Natürlich habe ich sie zwischen den Gleisen gefunden, und zwar nicht weit von der Stelle, an der die beiden Verletzten lagen. Es ist mir absolut unverständlich, warum die Kollegen sie nicht sofort entdeckt haben. Sie lag nämlich ganz offen da – einfach so. Ich musste sie nur aufheben!»
    Laura griff nach dem Beutel, öffnete

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