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Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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hat sie in der Seitentasche des Rucksacks aufbewahrt. Das habe ich genau gesehen, Signora. Eingestiegen ist sie in Florenz, da bin ich ganz sicher. Ich habe sie zum ersten Mal kurz nach Florenz kontrolliert. Da hat sie mich gefragt, wann endlich diese schrecklichen Tunnels aufhören. Die zwischenFlorenz und Bologna, aber das wissen Sie ja, Signora, wenn Ihre Mutter   …»
    «Ja, ja!» Laura schob ungeduldig ihre Kaffeetasse hin und her. «Haben Sie danach noch öfter mit der Frau gesprochen?»
    «Gesprochen, gesprochen   … was man als Schaffner so redet. Einen Satz oder zwei. Später hat sie mich gefragt, wo der Speisewagen ist und dann noch einmal, wann wir endlich in Monaco sind.»
    «Wann war das?»
    «Warten Sie   … bei Innsbruck, glaube ich – ja, das ist wahrscheinlich. Aber bei so vielen Reisenden kann ich das wirklich nicht mehr genau sagen.»
    «Dann muss sie kurz danach ermordet worden sein», sagte Laura nachdenklich.
    «Das ist schrecklich, Commissaria, ganz schrecklich! Vielleicht habe ich sie als Letzter gesehen, ihre letzten Worte gehört.» Er schürzte bekümmert seine Lippen.
    Zu theatralisch, dachte Laura. Erst fand ich ihn witzig, jetzt geht er mir allmählich auf die Nerven. Irgendwie reagiert er zu heftig – wie ein Schauspieler.
    «Ist Ihnen am Ende der Reise überhaupt nichts aufgefallen, nicht der einsame Koffer, den offensichtlich jemand verschwinden ließ, keine Toilettentür, die blockiert war, ein Mann oder eine Frau, die sich auffällig benommen haben?»
    Bertolucci schüttelte den Kopf. «Gar nichts! Absolut gar nichts. Wir waren ja auch alle sehr müde, denn die Reise hatte drei Stunden länger als vorgesehen gedauert. Ich hatte seit Florenz Dienst. Das ist sehr lang, Signora. Wir müssen länger arbeiten als vor zehn Jahren, aber da waren wir noch jünger. Eine Stunde Ruhepause ist vorgesehen auf der Fahrt von Florenz nach München. Wir haben dagegen demonstriert, gestreikt und wieder gestreikt. Es hat nichts geholfen,gar nichts. Man kann nichts mehr machen heutzutage. Absolut nichts!»
    Laura stieß eine Art mitfühlenden Seufzer aus, dessen Deutung sie dem hellsehenden Schaffner überließ, dann dankte sie ihm für seine ausführliche Mitarbeit, musste ihn aber sanft zur Tür schieben, denn jetzt wollte er vom erbärmlichen Leben der italienischen Bahnangestellten erzählen, die vollkommen unterbezahlt und überarbeitet ein marodes System von Dauerverspätungen aufrechterhielten.
    Das, sagte Laura, sei auch in Deutschland nicht viel anders und deshalb nichts Neues für sie. Tür zu.
    Später erzählte ihr Claudia, die Sekretärin, Bertolucci habe vor seiner Vernehmung derart verschüchtert ausgesehen, dass sie ihm Mut machen wollte.
    «Ich hab ihm gesagt, dass die Commissaria ganz gut Italienisch kann, weil sie eine italienische Mutter hatte!»
    «Von wegen Hellseher!», sagte Laura.
    «Wie bitte?»
    «Ach nichts, gar nichts. Lassen Sie den Nächsten herein, aber bremsen Sie Ihr weiches Herz für schüchterne Italiener!»
     
    Der Schaffner Castelli erwies sich als noch unergiebiger als Bertolucci und der Kellner. Er saß da, starrte auf den Boden und konnte sich zuerst nicht einmal an die tote Frau erinnern. Das Foto streifte er nur mit einem kurzen Blick.
    Laura glaubte ihm nicht, zumal die andern sich so genau erinnert hatten. Als sie Castelli darauf hinwies, schloss er die Augen.
    «
Aspetti!
Warten Sie. Das Foto, zeigen Sie es mir noch einmal!»
    Laura schob es zu ihm hinüber. Er schaute nicht direkt auf das Bild, sondern seitlich daran vorbei.
    «Ja   … vielleicht   …», murmelte er undeutlich, räusperte sich, hustete lange.
    «Was vielleicht?»
    «Es könnte sein, dass ich sie gesehen habe. Aber ich bin mir nicht sicher. Jedenfalls   …!» Er richtete sich ein wenig auf, sah Laura zum ersten Mal kurz an. «Jedenfalls kann ich mich an nichts erinnern, das mit einem Mord zu tun haben könnte!» Sein Blick glitt wieder zur Seite, an der Wand herab und kehrte auf den Boden zurück.
    «Niemand, der mit ihr gesprochen hat? Keinerlei auffälliges Verhalten, gar nichts?»
    «Gar nichts!
Niente!
»
    «Dann können Sie jetzt gehen, Signor Castelli!»
    Er sprang auf, lief beinahe zur Tür.
    «Einen Moment!», sagte Laura scharf.
    Castelli erstarrte, zog den Kopf ein, drehte sich aber nicht um.
    «Haben Sie die Frau für eine Prostituierte gehalten?»
    «Wie bitte?» Castelli fuhr herum. «Wie komme ich dazu, einen Fahrgast für eine Prostituierte zu halten?»
    «War

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