Wie Krähen im Nebel
im Nebel!»
Der Mann im Glaskasten lachte.
«Ich bin froh, dass ich seit einem halben Jahr hier Dienst schiebe. Die Stange im Nebel lass ich lieber den andern!»
«Aber es ist spannend», antwortete Laura und winkte ihm im Weggehen zu.
Sie nahm die Treppe, weil sie es von zu Hause gewohnt war und weil sie es für gesund hielt. Im Vorzimmer ihres Dezernats saß eine schmale, blasse Frau, die einen braunen Kaninchenfellmantel über die Schultern geworfen hatte. Ihr Haar war von einem stumpfen Blond, ihre Lippen erstaunlichvoll und rot. Obwohl der Tag neblig und dunkel war, trug sie eine große Sonnenbrille.
Die Sekretärin Claudia stellte gerade eine Tasse vor die Frau hin, goss Kaffee hinein und nickte Laura zu.
«Guten Morgen! Heute fängt’s früh an! Hier sitzt Besuch für Sie … schon seit einer halben Stunde! Ich habe der Dame gesagt, dass Kriminalkommissare selten vor halb neun Uhr mit ihren Ermittlungen beginnen.»
«Dafür sind sie häufig die ganze Nacht unterwegs», gab Laura trocken zurück. «Guten Morgen allerseits. Wollten Sie mich sprechen?» Laura wandte sich der blassen Frau zu.
«Ja», sagte die Frau leise und erhob sich. Sie war erstaunlich groß, überragte Laura um mindestens einen halben Kopf und hatte unglaublich lange Beine, die in braunen Stretchhosen steckten.
Irgendwie passen die Beine nicht zu dem blassen, angestrengten Gesicht, dachte Laura, und aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, dass auch Claudia auf diese Beine starrte.
Wenn Baumann jetzt kommen würde, dachte Laura, dann würde auch er … Und in diesem Augenblick öffnete Baumann die Tür, rief «Guten Morgen», jammerte nach einem Kaffee, hielt aber plötzlich inne und tat, was Laura angenommen hatte: Er starrte.
Die blasse Frau ließ den Mantel von ihren Schultern gleiten und hielt ihn so, dass ihre Beine verdeckt wurden.
«Ich würde mich gern allein mit Ihnen unterhalten», sagte sie zu Laura und würdigte Peter Baumann keines Blickes.
«Ja, gut. Bitte kommen Sie.» Laura hielt die Tür auf.
«Kann ich meinen Kaffee mitnehmen?», fragte die Frau.
«Natürlich. Ich will auch einen. Würdest du uns bitte den Kaffee bringen, Claudia? Ich weiß, dass es eigentlich nicht zu deinen Aufgaben gehört, aber vielleicht kannst du heute eine Ausnahme machen.»
Claudia zwinkerte Laura zu.
«Klar, Frau Hauptkommissarin. Die Dame wollte übrigens ihren Namen nicht nennen.»
Da wandte sich die blasse Frau heftig um und sagte sehr laut: «Der Name tut auch nichts zur Sache. Sie kennen mich nicht und ich Sie nicht! Was hilft es mir, wenn ich Ihren Namen kennen würde!»
«Sie würden wissen, wer ich bin!», antwortete Claudia.
«Ach ja, wirklich?» Die blasse Frau trat einen Schritt auf Claudia zu. «Wenn ich weiß, wie jemand heißt, weiß ich noch lange nicht, wer er ist. Das müssten Sie als Sekretärin in einem Morddezernat eigentlich wissen!»
«Oje!», seufzte Claudia. «So philosophisch hab ich es nicht gemeint!»
«Können wir jetzt?» Laura wies auf die Tür.
«Gern.» Die blasse, große Frau trat vor Laura auf den Flur, folgte ihr dann zu dem kleinen Büro. Laura schob ihr einen Stuhl hin, warf ihre Jacke über den Chefsessel und streckte der Frau ihre Hand hin.
«Mein Name ist Laura Gottberg.»
Die Frau zögerte, ergriff dann Lauras Hand, erwiderte kurz den Druck und zog sich schnell zurück.
«Ich …», setzte die Frau an, verstummte aber, als Claudia mit einem Tablett hereintrat, zwei Kaffeetassen, Zucker und Milch auf den Schreibtisch stellte.
«Danke!», sagte Laura.
Die Sekretärin zog die Augenbrauen hoch, kniff das rechte Auge zu und verschwand so schnell, wie sie gekommen war.
«Ja?», sagte Laura. «Sie wollten gerade etwas sagen.»
Die Frau strich mit einer Hand über den Kaninchenfellmantel. «Haben wir noch mehr Störungen zu erwarten?», fragte sie plötzlich mit sarkastischem Tonfall. Da war ein winziger Akzent, der ihre Art zu sprechen reizvoll machte.
«Nein», antwortete Laura. «Aber wir können die Tür abschließen, wenn Ihnen das lieber ist.»
Die Frau runzelte ihre Stirn, nahm die dunkle Brille ab und schaute genau in Lauras Augen.
«Ich möchte, dass Sie mich ernst nehmen!», sagte sie leise. «Was ich Ihnen sagen will, ist sehr wichtig. Ich bin Mitglied einer Organisation, die unbedingt anonym bleiben muss.»
Sie lehnte sich zurück, ließ aber Lauras Augen noch immer nicht los. «Es ist eine Organisation, die Frauen und Kindern dabei hilft, aus den Fängen von
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