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Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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wenn du hier wärst, Angelo Guerrini. Und schlief sofort ein.

 
    Rosl Meier stand auf den Stufen des Hauptpostamts gegenüber dem Bahnhof und starrte auf die Einsatzwagen der Feuerwehr und Polizei. Jedes Mal, wenn eine Sirene erklang, hielt sie sich die Ohren zu, und das war fast die ganze Zeit. Seit zwei Stunden stand sie schon hier. Mehrmals hatten Polizisten sie und andere Neugierige vertrieben, doch Rosl hatte sich immer wieder angenähert – im Schutz des Nebels und der allgemeinen Verwirrung.
    Rosl konnte das alles nicht fassen, deshalb stand sie da und rührte sich nicht von der Stelle. Um neun hatte sie ihren Dienst antreten wollen. Als sie herausfand, dass es wieder der Eurocity aus Rom war, für den man sie eingeteilt hatte, brach ihr der Schweiß aus. Angst packte sie so heftig, dass sie Mühe hatte, auf den Beinen zu bleiben. Sie war sicher, dass der Mörder eine Verbindung zu ihrer Reinigungsfirma hatte. Es konnte gar nicht anders sein. Er hatte dafür gesorgt, dass sie für den Eurocity eingeteilt wurde. Er würde auf sie warten und sie umbringen.
    Aber dann war alles anders gekommen. Der Mörder hatte sich etwas viel Größeres ausgedacht. Er wollte nicht nur sie, sondern alle anderen mit ihr umbringen. Hatte eine Bombe gelegt. Es konnte kein Zufall sein, denn an diesem Abend hatte Rosl zum ersten Mal seit der Entdeckung der Toten wieder Dienst im Bahnhof. Und jetzt stand sie auf der Steintreppe und wartete auf den großen Knall. Einen Knall wie im Fernsehen, wenn von Terroranschlägen berichtet wurde. Vor ihrem inneren Auge sah sie den Bahnhof in die Luftfliegen, das große Dach, das sich hob und in tausend Stücke zerbrach, die krachend zu Boden stürzten. Überall war Feuer und Rauch, schreiende Menschen, Sirenen.
    Rosl hatte diese Bilder so klar in ihrem Kopf, dass sie sie schon fast voll Ungeduld erwartete. Doch es geschah nichts.
    Erst als die Menschen sich allmählich zerstreuten und ein Polizist sie zum zehnten Mal aufforderte, nach Hause zu gehen, löste sich auch Rosl Meier vom Anblick des Hauptbahnhofs und ging zu Fuß durch die dunklen Straßen. Sie wählte einen Umweg, schlug mehrmals Haken in Seitenstraßen, rannte sogar ein paar Mal, bis sie sicher war, dass niemand ihr folgte. Dann erst kehrte sie in ihre Straße zurück, wartete und lauschte in der Einfahrt zum Nebenhaus zehn Minuten lang, doch es kam nur ein alter Nachbar mit seinem kleinen Hund vorbei. Einer, mit dem sie manchmal ein Bier in der kleinen Kneipe trank.
    Rosl sprach ihn nicht an, sondern drückte sich tief in die dunkle Einfahrt. Als der Alte endlich im Nebel verschwunden war, lief sie zu ihrer Haustür, den Schlüssel schon in der Hand, sperrte hastig auf, schlüpfte hinein und knallte die schwere Tür hinter sich zu. Schwer atmend lehnte sie sich dagegen, fühlte sich noch immer nicht sicher in dem kalten Treppenhaus, das nach feuchtem Keller roch und viel zu dunkel war. Mit klopfendem Herzen schleppte sie sich bis in den zweiten Stock, erreichte die Wohnungstür, wollte sie aufstoßen, aber es ging nicht. Mit einem Knall wurde die Tür gestoppt, Rosl prallte dagegen, ihr wurde schwindlig.
    Wie die Klotür im Eurocity, dachte sie und dachte es immer wieder. Dachte irgendwann weiter. Wenn es wie im Zug war, dann musste hinter der Tür jemand liegen. Sie wusste genau, was geschehen war. Der Mörder hatte ihre Mutter umgebracht, weil er sie nicht erwischen konnte.
    Gerade als Rosl sich umdrehen und um Hilfe rufen wollte,löste jemand die Sicherheitskette, und die Tür schwang auf.
    «Hast dich wieder rum’trieben, alte Schlamp’n!», zischte die kleine alte Frau. «Des ist das letzte Mal! Ich sag dir’s! Das letzte Mal!»
    Rosl konnte nicht antworten, nicht einmal begreifen. Sie wankte an ihrer Mutter vorüber in die Küche, ließ sich auf einen Stuhl fallen und starrte vor sich hin. Die alte Meier aber nickte zufrieden und legte sich angezogen ins Bett – nicht ohne zuvor ihre Schlafzimmertür abzusperren. Sie traute ihrer Tochter nicht.
     
    Als Laura am nächsten Morgen das Polizeipräsidium in der Ettstraße betrat, winkte der Beamte im Empfangskasten und sagte: «Oben wartet jemand auf Sie, Frau Gottberg. Ich hab sie raufgeschickt zu Ihrer Sekretärin.»
    «Wer ist es?»
    «Eine Frau. Sie will unbedingt mit Ihnen sprechen, hat gefragt, wer den Fall der Toten im Eurocity bearbeitet.»
    «Oh», sagte Laura. «Danke, Kollege. Vielleicht kommen wir ja endlich ein Stück weiter. Bisher ist es ja wie mit der Stange

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